Teuflische Kuesse
zu einem warmen Lächeln. »Was umso bedauerlicher ist!«
Sie
schniefte gekünstelt. »In Anbetracht der mangelnden Ernsthaftigkeit, mit der
Sie unsere Verlobung betrachten, liegt es an mir, dafür zu sorgen, dass unsere
Lippen einander nicht mehr berühren, bis wir in St. Michael vorm Altar unsere
Gelübde abgelegt haben. Bis dahin brauche ich einfach nur sicherzustellen,
dass wir nicht mehr miteinander allein sind.«
»Wir sind
aber gerade allein«, erinnerte er sie mit einem Lächeln auf den Lippen.
Laura
schaute sich im schattigen Schlafgemach um und war sich des zerwühlten Betts,
das noch den warmen Abdruck seines Körpers trug, nur allzu bewusst. »Sind wir,
wie es aussieht. Aber Sie würden es nicht wagen, mich zu küssen – mit Lottie
auf dem Flur und Cookie unten im Erdgeschoss.«
Er zog eine
goldene Augenbraue hoch.
»Oh, würde
ich nicht?«
Als er
seine Hände unter ihre Ellenbogen schob und sie in seine Arme
zog, wurde ihr klar, dass sie – gütiger Himmel – halb
hoffte, er würde es doch tun.
Aber sein
Blick hatte dieses Funkeln verloren und war seltsam ernsthaft. »War ich gut zu
Ihnen, Laura? Habe ich Ihre Gefühle geachtet? Habe ich Sie glücklich gemacht?«
Sie holte
bebend Luft. Sein würdevoller Ernst wirkte noch entwaffnender als sein Charme.
»Sie waren überaus rücksichtsvoll. Sie haben mir ausnahmslos jede Woche
geschrieben und zweimal in der Woche meines Geburtstags. Weil Sie mir ja keine
Blumen bringen konnten, haben Sie an den Rand der Briefbögen hübsche kleine
Sträuße gezeichnet. Und wenn Sie zu Besuch kamen, hatten Sie immer kleine
Geschenke für Lottie und
George dabei.«
Die Lügen
gingen ihr ganz mühelos über die Lippen, und Laura erkannte, dass sie schlicht
den Mann ihrer Träume beschrieb. Einen Traummann, der vor ihren Augen Gestalt
annahm.
»Sie haben
mir immer beschrieben, wie glücklich wir sein würden, wenn wir erst verheiratet
wären. Wie wir morgens im Bett heiße Schokolade schlürften und in der
Abenddämmerung lange Spaziergänge machten. Später am Abend wollten wir im
Salon mit der Familie Karten spielen und am Pianoforte Lieder singen. Und Sie
wollten uns am Kamin vorlesen, bis wir schläfrig würden.« Sie senkte auf einmal
schüchtern den Blick. »Dann wollten wir uns ins Schlafzimmer zurückziehen.«
Nicholas'
Blick verdüsterte sich, als schmerze ihn die Idylle. »Habe ich Ihnen denn
niemals Anlass gegeben, Ihr Verlobungsgelübde
zu bereuen?«
Laura
schüttelte den Kopf. »Nein. Niemals.«
Er zog sie
näher an sich und berührte mit den Lippen ihren Mund. Die Süße seines Kusses
traf Laura in einem unbedachten Moment. Doch bevor sie sich seinen Lippen noch
ergeben konnte, hatte er sich schon mit unergründlichem Gesichtsausdruck
zurückgezogen. »Dann kann ich nur beten, dass ich Ihnen auch in Zukunft keinen
Anlass gebe.«
Als
Nicholas sich neben
Laura und ihren Geschwistern auf der familieneigenen Kirchenbank niederließ,
war er zu der Ansicht gekommen, dass die Bewohner Ardens blind zur Welt
gekommen sein mussten. Andernfalls hätten sie von seinem altmodischen Aufzug
Notiz nehmen müssen. Obwohl er sich an sein früheres Leben nicht erinnern
konnte, war er doch einigermaßen sicher, sich nie dermaßen lächerlich vorgekommen
zu sein. Die Kniehosen wären schon erniedrigend genug gewesen, aber Laura hatte
seinem Elend noch gestreifte Seidenstrümpfe hinzugefügt, sowie
Schnallenschuhe, eine bestickte Weste und einen scharlachroten Gehrock mit
blinkenden Messingknöpfen. Er hätte perfekt in einen jeden Salon hineingepasst
– im vorigen Jahrhundert. Hätte er eine gepuderte Perücke gehabt, er hätte sich
als Lakai beim König bewerben können.
Er kniff
sich in die Nase. Die alte Steinkirche roch glücklicherweise noch ein wenig
muffiger als er.
George war
ans Ende der Reihe gerutscht, um so viel Abstand zwischen sich und seinen
Angehörigen zu lassen, wie es die lange, schmale Kirchenbank zuließ. Lottie
thronte auf Lauras anderer Seite. Die engelsgleiche Unschuldshaltung
empfindlich von dem Damentäschchen gestört, das ihr ständig vom Schoß zu
rutschen drohte.
Nicholas
erhaschte einen Blick auf Lauras heiteres Profil. Sie schien sein Unbehagen
ebenso wenig zu bemerken wie seinen
Oberschenkel, der sich warm an sie presste. Ihre weiß behandschuhten Hände
waren sittsam um das Gebetbuch gefaltet, ihr
Gesicht aufmerksam der hoch im Altarraum schwebenden Kanzel aus Mahagoni
zugewandt, von der aus der Pfarrer
ihnen seinen Segen zu
Weitere Kostenlose Bücher