The Walking Dead 2: Roman
und Tritt«, antwortet sie und geht dann mit ihm die Auffahrt hoch.
Das erste Ungetüm wird gleich einer Fata Morgana im Morgenlicht hinter den Bäumen sichtbar, steht inmitten einer Lichtung, als ob es aus dem All stammt. Wenn das Haus irgendwo an einem von Bäumen gesäumten Boulevard in Connecticut oder Beverly Hills stünde, würde es gar nicht erst auffallen, aber hier, mitten auf dem Land, verschlägt es Josh beinahe die Sprache. Das Haus erstreckt sich über drei Stockwerke, ist von einem englischen Rasen umgeben, auf dem sich mittlerweile Unkraut ausgebreitet hat, und stellt ein architektonisches Wunder aus frei tragenden Räumen und Balustraden dar. Es weist mehr Dachschrägen auf, als man an zwei Händen abzählen kann, sieht aus wie ein verschollenes Meisterstück von Frank Lloyd Wright. Im Hinterhof kann man gerade so einen mit Laub bedeckten Infinity-Pool mit verdeckter Wasserkante erspähen. Auch den riesigen Balkons sieht man die Vernachlässigung an – Eiszapfen hängen von ihnen herab, und überall liegt dreckiger Schnee. »Das ist wohl die Sommerresidenz von irgendeinem großen Macker«, mutmaßt Josh.
Sie folgen der Straße, die weiter in den Wald führt, und finden noch mehr verlassene Häuser.
Eins sieht aus wie ein viktorianisches Museum mit gigantischen Türmchen, die aus den überall auf dem Grundstück verstreut stehenden Pekannussbäumen zu schießen scheinen. Ein weiteres Haus scheint aus Glas gebaut zu sein. Außerdem besitzt es eine Veranda, die sich über einen Hügel erstreckt und eine atemberaubende Aussicht bietet. Jede Villa besitzt ihren eigenen Pool und Remise, eine Garage groß genug für sechs Autos und einen riesigen Rasen. Außerdem sind alle verlassen, dunkel, verschlossen, verbarrikadiert und tot wie Mausoleen.
Lilly hält vor dem in dunklem Glas gerahmten Wunder inne und starrt hinein. »Glaubst du, dass wir da reinkommen?«
Josh grinst. »Reich mir doch mal den Hammer, Kleines … und geh in Sicherheit.«
Sie finden sich in einem Schlaraffenland wieder. Trotz all der verdorbenen Lebensmittel und Anzeichen früherer Einbrüche – wahrscheinlich auf Anlass des Governors und seiner angeheuerten Schläger – finden sie noch immer halb volle Speisekammern, Bars und Wäscheschränke, die bis zum Rand mit frischer Bettwäsche vollgestopft sind. Sie stolpern über Werkstätten mit mehr Werkzeug und Ausrüstung als in einem Handwerkerladen. Sie finden Waffen, Schnaps, Benzin und Arzneimittel. Sie können es kaum glauben, dass der Governor und seine Schergen diese Oasen der Fülle noch nicht vollständig ausgeraubt haben. Und das Beste an allem ist, dass weit und breit keine Zombies zu sehen sind.
Später schaut sich Lilly im Eingangsbereich eines noch völlig intakten, einstöckigen Holzhauses um und bestaunt die kunstvollen Tiffany-Lampen. »Weißt du, was ich denke?«
»Keine Ahnung, Liebes. Was denkst du denn?«
Sie wirft ihm einen ernsten Blick zu. »Wir könnten hier wohnen , Josh.«
»Hm, ich weiß nicht …«
Sie sieht sich um. »Wir können ruhig sein, kein Aufsehen erregen. Wir müssen es doch nicht in die Welt hinausposaunen, dass wir hier sind.«
Josh überlegt einen Augenblick. »Vielleicht sollten wir das langsam angehen. Dumm spielen, schauen, ob jemand anders Wind davon bekommen hat.«
»Aber das ist doch das Coole an der Sache, Josh. Die sind schon hier gewesen … und kommen nicht wieder.«
Er seufzt. »Lass mich darüber nachdenken, Kleines. Vielleicht sollten wir Bob zurate ziehen.«
Sie schauen sich in den Garagen um und finden eine Handvoll Luxuskarossen unter Planen, schmieden Zukunftspläne, überlegen, ob sie wieder auf die Straße sollten. Sie einigen sich darauf, erst mit Bob zu reden und dann eine Entscheidung zu treffen.
Abends kehren sie in die Stadt zurück, schleichen sich unbemerkt durch die Bauarbeiten am südlichen Ende der Barrikade hindurch, bis sie sich wieder in der sicheren Zone befinden.
Von ihrer Entdeckung teilen sie niemandem etwas mit.
Unglücklicherweise ist weder Josh noch Lilly der eine entscheidende Nachteil ihrer Luxusenklave aufgefallen. Die meisten Gärten reichen gute dreißig Meter bis an den Rand eines Abhangs. Dahinter geht es dann steil und steinig bergab in einen tiefen Canyon. In seinem trockenen Flussbett, inmitten toter Kletterpflanzen, stolpert eine Horde Zombies umher, mindestens hundert an der Zahl.
Die Kreaturen brauchen keine achtundvierzig Stunden – wenn sie erst mal Menschenfleisch
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