The Walking Dead 2: Roman
gerochen und den Lärm von oben mitgekriegt haben –, um einen Zentimeter nach dem anderen an der Canyonwand hochzuklettern.
Elf
Ich will es immer noch nicht einsehen, dass wir nicht einfach hierbleiben können«, fängt Lilly am nächsten Nachmittag erneut an und wirft sich auf das butterweiche Ledersofa, das an ein riesiges Panoramafenster in der gläsernen Villa gestellt ist. Die Fensterfront verläuft entlang der gesamten hinteren Hälfte und gibt den Blick auf den nierenförmigen Pool im Garten frei, der mit einer schneebedeckten Plane versehen ist. Der eiskalte Wind lässt die Fenster knarzen, gegen die Scheiben schlägt ein feiner Eisregen.
»Ich will ja nicht sagen, dass wir es nicht in Betracht ziehen sollten«, entgegnet Josh, der gerade feines Silber aus der Anrichte in die Tasche packt. Der Abend bricht herein, und sie haben mittlerweile genug Proviant, Werkzeuge und Sonstiges, um ein eigenes Haus damit auszurüsten. Den Großteil ihrer Beute haben sie außerhalb der sicheren Zone von Woodbury versteckt, in Hütten und Scheunen. Waffen und Werkzeuge sowie Dosen mit Lebensmitteln sind in Bobs Camper, und sie wollen eine der Luxuskarossen zum Laufen bringen.
Josh seufzt, geht zu Lilly und setzt sich neben sie. »Ich kann mir immer noch nicht sicher sein, dass uns hier nichts passieren kann.«
»Was soll denn das? Schau dich doch nur um … Diese Häuser sind wie Festungen gebaut. Die Besitzer haben sie hermetisch abgeriegelt, ehe sie in ihren Privatjets geflüchtet sind. Josh, ich kann nicht eine einzige weitere Nacht in dieser unheimlichen Stadt verbringen.«
Josh wirft ihr einen traurigen Blick zu. »Baby, ich verspreche dir … Eines Tages wird das alles vorbei sein.«
»Ehrlich? Glaubst du das wirklich?«
»Dessen bin ich mir sicher, Kleines. Irgendjemand wird der Sache auf den Grund kommen … herausfinden, was schiefgelaufen ist. So ein Eierkopf im Gesundheitsministerium wird ein Gegenmittel erfinden, damit die Leute in ihren Gräbern bleiben.«
Lilly reibt sich die Augen. »Ich wünschte, ich hätte die gleiche Zuversicht.«
Josh legt seine Hand auf die ihre. »Auch das wird vorübergehen, Baby. Es ist genau so, wie Mama immer gesagt hat: ›Das Einzige, worauf du dich in dieser Welt verlassen kannst, ist, dass nichts so bleibt, wie es ist, dass alles sich ständig ändert.‹« Er schaut ihr in die Augen und lächelt. »Das Einzige, was sich nie ändern wird, sind meine Gefühle für dich , Baby.«
Sie sitzen noch einen Augenblick lang da, lauschen dem Haus, wie es sich im Wind bewegt, hier und da knarzt, wie der Eisregen gegen die Scheiben prasselt, als sich plötzlich etwas im Garten bewegt. Mehrere Dutzend Köpfe erscheinen langsam am Rande des Abhangs, eine ganze Reihe verwesender Gesichter – unbemerkt von Lilly und Josh, die mit dem Rücken zum Fenster auf der Couch sitzen. Die Zombies kriechen langsam aus den Schatten.
Lilly, noch immer nichts ahnend und in Gedanken verloren, legt den Kopf auf Joshs breite Schulter. Sie verspürt Schuldgefühle, denn mit jedem Tag verliebt sich Josh mehr in sie. Sie merkt es daran, wie er sie berührt, wie seine Augen jeden Morgen aufleuchten, wenn sie auf der kalten Palette in ihrer kleinen Wohnung im ersten Stock aufwachen.
Ein Teil von Lilly lechzt nach Zuneigung und Intimität … aber ein anderer Teil fühlt sich noch immer unbeteiligt, fremd, schuldig dafür, dass sie diese Beziehung überhaupt erlaubt hat, eine Beziehung, die vielleicht auf Angst und Zweckmäßigkeit beruht. Sie fühlt sich Josh gegenüber verpflichtet, aber das ist doch keine vernünftige Basis für eine Beziehung. Was sie tut, ist falsch. Sie ist ihm die Wahrheit schuldig.
»Josh …« Sie blickt ihn an. »Ich muss dir etwas sagen … Du … Du bist einer der wundervollsten Männer, den ich je getroffen habe.«
Er grinst, hört gar nicht die Traurigkeit, die in ihrer Stimme mitschwingt. »Du bist auch gar nicht schlecht.«
In freier Sicht vom Fenster krabbeln und kriechen jetzt mindestens fünfzig Kreaturen über den Vorsprung auf den Rasen, krallen mit ihren Fingern in das Grün, zucken und zappeln. Einige kommen unbeholfen auf die Beine und fangen an, mit hungrigen, aufgerissenen Mäulern auf den Glaskäfig zuzuhumpeln. Ein toter Greis in Krankenhauskittel mit langen weißen Haaren, die im Wind wehen, führt das Pack an.
In dem luxuriösen Haus hinter dem Sicherheitsglas, noch immer nichts ahnend, sucht Lilly die passenden Worte: »Du bist immer so gut
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