Theo Boone - Unter Verdacht: Band 3 (Heyne fliegt) (German Edition)

sich anmerken ließen. Dass nun schon wieder ein Reifen aufgeschlitzt worden war, hatte sie vollends aus der Fassung gebracht.
    Nach einem Sandwich und einem Teller Suppe zog sich Theo in sein Zimmer zurück. Ike hatte ihm im Laufe des Nachmittags drei SMS geschickt und wissen wollen, ob Theo das Passwort zum digitalen Ablagesystem der Kanzlei beschafft hatte. Theo hatte darauf nicht reagiert, weil er sich nicht überwinden konnte, gegen die ungeschriebenen Regeln der Kanzlei zu verstoßen. Das Passwort von Vinces Computer zu stehlen war eine unredliche Handlung gewesen, die Theo schwer belastete. Wenn er das Passwort an Ike weitergab, machte er die Sache noch schlimmer. Andererseits hatte Theo es satt, gehetzt zu werden und Zielscheibe einer raffiniert ausgeheckten Verschwörung zu sein. Es war Zeit, sich zur Wehr zu setzen. Die Polizei schien fest entschlossen, ihn zu überführen. Die Zeit lief, und sie arbeitete gegen ihn. Die Situation konnte sich sehr schnell weiter verschlechtern.
    Er rief Ike an, der immer noch im Büro saß.
    » Das wird aber auch Zeit«, begrüßte Ike ihn gereizt. » Hast du das Passwort besorgt?«
    » Ja, habe ich, aber du musst mich noch überzeugen, dass wir das Richtige tun.«
    » Das habe ich dir doch schon erklärt, Theo. Wir brechen kein Gesetz. Wir schnüffeln nur ein wenig herum. Sieh es mal so, Theo: Wenn du durch die Büroräume von Boone & Boone gehst, siehst du überall Akten, stimmt’s?«
    » Stimmt.«
    » Es ist eben eine Kanzlei. Akten auf den Schreibtischen, fein säuberlich geordnete Akten in Schränken, Akten, die im Besprechungszimmer vergessen wurden, Akten in offenen Aktenkoffern, stapelweise Akten, die abgelegt werden müssen. Akten, Akten und nochmals Akten. Sei ehrlich, Theo, hast du nie so eine Akte in die Hand genommen und darin geblättert?«
    Theo zögerte kurz. » Doch.«
    » Natürlich hast du das, und damit hast du gegen kein Gesetz verstoßen. Kein Mensch kann behaupten, du hättest das Standesethos verletzt, weil du nämlich kein Anwalt bist. Du warst nur neugierig, das ist alles. Hast nur ein bisschen herumgeschnüffelt. Genau das tun wir hier auch, Theo, herumschnüffeln. Manche Akten der Kanzlei sind jetzt in einem digitalen Archiv gespeichert, damit die Mitarbeiter leichter darauf zugreifen können. Diese Akten existieren irgendwo in der Kanzlei auch in Papierform, genau wie die Unterlagen, auf die du schon einmal einen Blick geworfen hast.«
    » Das ist mir klar, Ike, aber es kommt mir trotzdem falsch vor.«
    Ike atmete schwer ins Telefon, und Theo rechnete fast mit einem Anpfiff. Aber sein Onkel blieb ganz ruhig. » Ich will dir helfen, Theo. Es ist doch so: Die Informationen, nach denen wir suchen, werden wir für uns behalten. Wir plaudern keine Mandantengeheimnisse aus. Wir wollen nur ein Rätsel lösen, und wenn uns das gelingt, muss niemand je erfahren, dass wir herumgeschnüffelt haben.«
    » Aber der Zugriff auf die Datenbank wird protokolliert.«
    » Keine Sorge, Theo. Ich benutze einen verschlüsselten Code, der sich nicht zurückverfolgen lässt. Da bin ich dir schon einen Schritt voraus. Ich bin kein Technikidiot, Theo.«
    » Habe ich auch nicht behauptet.«
    » Und ich wette, das Zugangsprotokoll wird vielleicht einmal im Jahr überprüft, stimmt’s?«
    » Wahrscheinlich.«
    » Gib mir das Passwort, Theo.«
    » Avalanche88TeeBone33.«
    » Buchstabier das.«
    Theo buchstabierte langsam und gab ihm dann den Kontocode durch.
    » Kluger Junge, Theo. Ich gehe an die Arbeit.«
    Theo streckte sich auf seinem Bett aus und starrte an die Decke. Ike war ein intelligenter Mann, der einmal ein brillanter Anwalt gewesen war, aber seine Ideen waren häufig ziemlich merkwürdig. Seine Theorie, dass Theos Probleme mit einem der hässlichen Scheidungsverfahren seiner Mutter zu tun hatten, war ziemlich weit hergeholt. Aber zumindest hatte er eine Theorie. Theo dachte an Isaac Scheer und konnte ihn sich immer weniger als Verdächtigen vorstellen.
    Er schickte Griff eine SMS . Hast du den Namen des Typen herausgefunden, der die 0-4 verkauft?
    Nachdem er zehn Minuten gewartet hatte, schaltete er sein Handy aus.

Neunzehn
    Als Theo am Samstagmorgen aufwachte, donnerte es kräftig, und der Regen prasselte gegen sein Fenster. Mühsam kroch er aus dem Bett und spähte durch die Vorhänge. Das Wasser stand in Pfützen im Garten. Kein Golf heute. Judge folgte ihm nach unten, wo seine Eltern in der Küche Pfannkuchen backten und Würstchen brieten und sich– wie