Theo Boone - Unter Verdacht: Band 3 (Heyne fliegt) (German Edition)

Theo.
    Draußen hatte der Regen nachgelassen, aber der Himmel war immer noch düster und wolkenverhangen. Theo und sein Vater überlegten kurz, zum Golfplatz zu fahren und abzuwarten, ob es aufklarte. Allerdings war der Boden mit Sicherheit vollständig durchweicht, und falls der Platz später am Vormittag geöffnet wurde, würden sich die Golfer gegenseitig auf die Füße treten. Ein überfüllter Golfplatz war schlimmer als gar keiner. Beide waren sich einig, es lieber nicht zu probieren.
    Ike hatte im Laufe des Vormittags bereits zwei SMS geschickt und wollte sich mit Theo treffen. Zu Hause werkelte Theo eine Weile vor sich hin und beobachtete, wie sich das Wetter entwickelte. Nach einer Stunde erklärte er seinen Eltern, ihm sei langweilig, und Ike habe ihn zum Mittagessen eingeladen. Die beiden hatten nichts dagegen, und Theo radelte davon.
    Ike sah schlimmer aus als sonst. Seine Augen waren gerötet und aufgequollen, darunter zeichneten sich dunkle Ringe ab.
    » Ich war die ganze Nacht auf«, sagte er, als Theo sich einen Stuhl nahm. » Ich habe kein Auge zugetan. Die ganze Nacht habe ich Scheidungsakten gelesen. Ich kann dir sagen, Theo, bei vielen Ehen ist eine Scheidung die beste Lösung. Ich war in meinem ganzen Leben noch nicht so deprimiert. Ich weiß nicht, wie deine Mutter diese Arbeit tagein, tagaus erträgt. Ehefrauen, die ihren Ehemännern die furchtbarsten Dinge vorwerfen. Ehemänner, die ihren Ehefrauen noch Schlimmeres vorwerfen. Die streiten sich um alles, vom Haus und den Autos über die Bankkonten bis hin zu den Möbeln, aber wenn es um die Kinder geht, gibt es überhaupt kein Pardon mehr. Es ist entsetzlich, Theo.«
    Theo saß einfach nur da und hörte zu. Ike war völlig überdreht, vermutlich hatte er sich mit Kaffee und einem seiner kleinen Energiedrinks aufgeputscht. Er redete ohne Punkt und Komma.
    » Also, ich bin nach wie vor von meiner Theorie überzeugt. Wie sieht’s mit dir aus?«
    » Ich auch, Ike. Eine bessere haben wir nicht.«
    » Danke.«
    » Gestern ist mir wieder ein Reifen aufgeschlitzt worden, vor dem Veteranenklub.«
    Ike stutzte, überlegte, trank einen Schluck Kaffee. » Wir müssen sie erwischen, Theo.«
    » Die Polizei glaubt mir nicht, Ike.«
    » Wir müssen schnell handeln.« Ike griff nach seinem Notizblock und blätterte ein paar Seiten um. » Ich habe zwei Fälle gefunden, mit denen wir uns beschäftigen sollten. Bei beiden handelt es sich um sehr hässliche Scheidungsverfahren, die vom Gericht unter Verschluss genommen wurden, sodass nur die Anwälte Zugriff haben. Zunächst einmal wären da Mr. und Mrs. Rockworth. Ich will dich nicht mit Einzelheiten langweilen, aber du kannst dir sicher sein, dass Mr. Rockworth deine Mutter nicht ausstehen kann. Die beiden haben zwei Kinder, und es gab einen erbitterten Streit um das Sorgerecht, bei dem beide Eltern überzeugend unter Beweis stellten, dass man die Kinder eigentlich keinem von ihnen hätte anvertrauen dürfen. Nach einem sehr unschönen Verfahren erhielt Mrs. Rockworth das Sorgerecht, und Mr. Rockworth wurde ein großzügiges Umgangsrecht mit den Kindern eingeräumt, die beide eine Psychotherapie machen. Der Richter verurteilte Mr. Rockworth zur Zahlung von Anwaltskosten in Höhe von achtzehntausend Dollar an die Kanzlei Boone & Boone. Kennst du irgendwen namens Rockworth?«
    » Nein. Wie alt sind die Kinder?«
    » Der Junge ist zwölf und besucht die siebte Klasse der Middleschool. Seine ältere Schwester ist fünfzehn. Offenbar wollten beide bei ihrem Vater bleiben. Die Familie lebt erst seit einigen Jahren hier, was erklärt, warum du noch nie von ihnen gehört hast.«
    » Sind das deine Hauptverdächtigen?«
    » Oh nein, das ist nur eine Möglichkeit. Ich habe viel bessere Kandidaten: die schrecklichen Finns! Die Scheidung ist noch längst nicht durch, die Verhandlung findet erst nächsten Monat statt. Diese Leute haben ihren letzten Cent dafür ausgegeben zu beweisen, dass der jeweils andere völlig unfähig ist. Mrs. Finn ist ziemlich durchgeknallt und war schon in der Psychiatrie. Mr. Finn ist ein Trinker und Spieler. Beide pflegen einen höchst fragwürdigen Lebenswandel. Insgesamt sind es drei Kinder, aber die achtzehnjährige Tochter ist bereits ausgezogen. Die beiden Jungen sind zwölf beziehungsweise vierzehn und können ihre Mutter nicht ausstehen, die natürlich von deiner Mutter vertreten wird. Die dürften ganz schön verbittert sein, Theo, und du kannst sicher sein, dass Mr. Finn und die beiden