Theo Boone - Unter Verdacht: Band 3 (Heyne fliegt) (German Edition)
Kategorien: streitig– einvernehmlich, laufend– ruhend, Kinder– kinderlos, Beweisaufnahme– Termin angesetzt. Nachdem beide– Theo auf seinem Laptop und Ike auf seinem klobigen Desktop-Computer– eine halbe Stunde lang recherchiert hatten, hatten sie eine Liste von einundzwanzig laufenden Scheidungsverfahren zusammen, in denen Marcella Boone die Ehefrau vertrat. Davon waren drei Ehen kinderlos und wurden daher von der Liste gestrichen. Fünf fielen in die Kategorie » einvernehmlich« und waren deshalb nach Ansicht von Ike ebenfalls auszuschließen. Eine einvernehmliche Scheidung ging viel einfacher und schneller, da kamen keine Gefühle auf, die jemanden dazu trieben, Reifen aufzuschlitzen und Fensterscheiben einzuwerfen.
» Was heißt ›unter Verschluss‹?«, fragte Theo, als sie ihre Aufzeichnungen durchgingen.
» Für uns nichts Gutes«, sagte Ike. » Die Verschlusssachen hatte ich glatt vergessen. Bei manchen Scheidungsverfahren wird einer Partei oder beiden Parteien ein besonders hässliches Fehlverhalten vorgeworfen; dann kann jede Partei den Richter bitten, die Akte unter Verschluss zu nehmen. In diesem Fall ist sie nur für die beteiligten Anwälte einsehbar, nicht für die Öffentlichkeit. Für uns könnte sich das als Sackgasse erweisen, außer wir bekommen Zugriff auf die Akten deiner Mutter. Aber darum kümmern wir uns später.«
Ike notierte die Familiennamen der Mandanten in den dreizehn Verfahren, und Theo lud das Schülerverzeichnis seiner Schule herunter. Sie verglichen beide miteinander und konnten die Liste so auf etwa die Hälfte reduzieren: sieben Verfahren, die möglicherweise Kinder an Theos Schule betrafen. Manche Namen waren allerdings so häufig, dass sie nicht aussagekräftig waren. Es gab einen Smith, einen Johnson, einen Miller und einen Green. Beim Anblick der Namen fühlte sich Theo einigermaßen erleichtert. Er kannte keinen der Schüler, deren Familiennamen auf der Liste standen.
Zwei Jahre zuvor, als Theo in der sechsten Klasse war, hatte ihm ein Mädchen namens Nancy Griffin erzählt, seine Mutter habe ihre Mutter bei ihrer Scheidung vertreten. Das Verfahren war abgeschlossen, die Scheidung rechtskräftig, und Mrs. Griffin war sehr zufrieden mit der Arbeit von Theos Mutter gewesen. Zum ersten Mal wurde Theo klar, dass sich Mrs. Boones Tätigkeit auf seine Freunde und Klassenkameraden auswirken konnte. Später sprach er seine Mutter darauf an und erkundigte sich, warum sie ihn nicht informiert hatte. Daraufhin hielt ihm Mrs. Boone einen ausführlichen, ernsten Vortrag über das Berufsethos von Anwälten, zu deren wichtigsten Pflichten absolute Verschwiegenheit bezüglich der Angelegenheiten ihrer Mandanten zählte.
Ike notierte etwas auf seinem Schreibblock. » Jetzt haben wir sieben Namen, die infrage kommen, also sieben Scheidungsverfahren mit Beteiligung deiner Mutter, die Kinder aus deiner Schule betreffen. Kennst du jemanden davon?«
» Eigentlich nicht. In der siebten Klasse gibt es einen Tony Green, aber wir wissen nicht, ob das überhaupt die richtigen Greens sind. Ansonsten kommt mir nichts bekannt vor.«
» Dann sehen wir uns noch einmal die Verschlusssachen an«, schlug Ike vor. Theo hatte die Liste gut zehn Sekunden eher aufgerufen als sein Onkel. Bei diesen acht Verfahren war nur der Familienname des Ehepartners angegeben, der den Scheidungsantrag gestellt hatte. Die Namen der Anwälte waren nicht aufgeführt.
» Wir müssen davon ausgehen, dass wir nach einer besonders hässlichen Scheidung suchen«, stellte Ike fest. » Die Eltern streiten sich um das Sorgerecht, und unser geheimnisvolles Kind will bei seinem Vater bleiben. Ansonsten würde es sich nicht den Sohn der Anwältin seiner Mutter vornehmen. Klingt das logisch?«
» Schon.«
» Damit ein Vater das Sorgerecht bekommt, muss er nachweisen, dass die Mutter ungeeignet ist, Kinder zu erziehen. Das Gesetz bevorzugt die Mutter, Väter erhalten nur selten das Sorgerecht.«
» Ich weiß«, sagte Theo.
» Um nachzuweisen, dass die Mutter ungeeignet ist, muss der Vater also ein gravierendes Fehlverhalten der Mutter anführen. Solche Fälle werden aus offensichtlichen Gründen häufig unter Verschluss genommen.«
» Dann haben wir Pech gehabt.«
» Ja, außer wir erhalten Einsicht in die Akten deiner Mutter.«
» Bist du verrückt?«
» Ja, Theo, ich bin verrückt und nicht erst seit gestern. Ich werde die verrücktesten Dinge tun, um herauszufinden, wer der Stalker ist, der es auf dich
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