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Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition)

Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition)

Titel: Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Sawatzki
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verlegt hat. Herr Mussorkski. Er ist sehr erfolgreich und, ehrlich gesagt, der einzige Mensch, der mir regelmäßig zuhört. Manchmal träume ich davon, dass Herr Mussorkski anders aussah und ich mich unsterblich in ihn verlieben würde. Tatsächlich aber reicht er mir nur bis zur Schulter und ist eher fettleibig. Seine Hände sind weich und feucht und seine Brille immer so verschmiert, dass ich bis heute nicht weiß, welche Augenfarbe er hat. Aber durch ihn habe ich gelernt, erwachsene Männer, die Schlagermusik hören, dennoch als Männer zu akzeptieren. Obwohl ich eigentlich finde, dass sie gar keine richtigen Männer sind. Sondern Weicheier. Es war sehr schwierig, in Gerald einen richtigen Mann zu sehen, weil er bei jedem Treffen seine Schlager spielte. Die Kinder haben wir trotzdem irgendwie hinbekommen, also hat er trotz seines Musikgeschmacks in gewisser Weise seinen Mann gestanden.
    Ich beobachtete Gerald, wie er da selig lächelnd unter seinen riesigen Kopfhörern lag, und plötzlich durchglühten mich heiße Liebe und tiefes Verständnis für seine geheimen Leidenschaften.
    Ich ging zu ihm, beugte mich über sein friedliches Gesicht und küsste ihn auf den Mund. Er rührte sich nicht. Ich stöpselte seine Musik aus. Prompt öffnete er die Augen und nahm langsam den Kopfhörer ab. »Gundula, warum tust du das?«
    »Was?«
    »Du hast meine Musik ausgemacht.«
    »Natürlich. Ich muss staubsaugen.«
    »Warum machst du dann meine Musik aus?«
    »Meine Güte, Gerald, stell dich nicht so an. Es gibt in diesem Zimmer nur eine funktionierende Steckdose.«
    »Du hättest mich fragen können, ob du jetzt staubsaugen kannst.«
    Mir wurde plötzlich sehr warm, und ich begann zu schwitzen. »Wie bitte? Ich soll dich um Erlaubnis fragen, ob ich staubsaugen darf? Du spinnst wohl!«
    »Gundula, bitte nicht in dem Ton.« Er stand auf.
    »Ich soll dich um Erlaubnis fürs Staubsaugen bitten? Du hast doch nicht alle Tassen im Schrank!« Ich wischte mir ein paar Schweißtropfen von der Oberlippe. Ich durfte jetzt nicht hysterisch werden.
    »Gundula, ich kann so nicht. Lass mich bitte vorbei, ich möchte nicht in diesem Ton darüber diskutieren, ob du –«
    »Was hast du denn immer mit deinem Scheißton?«
    »Ich gehe. Ich brauche frische Luft.« Er zog tatsächlich Mantel und Schuhe an.
    »Du kannst jetzt nicht gehen. Nachher kommen die anderen!«
    »Vielleicht können die ja mehr mit deinem Staubsauger anfangen!« Gerald knallte die Tür hinter sich zu und war verschwunden.

8.
    Kapitel
    Ich war gerade fertig mit der Staubsaugerei, als die Kinder aus dem Kino zurückkamen. Sie versuchten sich an mir vorbei in Ricardas Zimmer zu stehlen.
    »Hiergeblieben! Ihr müsst den Kaffeetisch decken, eure Großeltern kommen jeden Moment!«
    »Wir sind total müde, Mama! Das kann doch Matz machen!« Ricarda dachte immer gern an ihre Geschwister, wenn es darum ging, sich vor etwas zu drücken.
    »Matz ist zu klein, der darf das gute Geschirr nicht anfassen.«
    »Matz ist sieben!«
    »Eben.«
    »Dann nimm doch normales Geschirr. Merkt doch eh keiner, was da für’n Geschirr auf dem Tisch steht.«
    »Was gibt’s überhaupt für Kuchen?«, fragte Rolfi.
    »Rolfi! Du lebst! Wie schön, du hast gesprochen!« Wenn ich wütend wurde, konnte ich auch boshaft werden. Und seit einiger Zeit sprach mein Sohn tatsächlich kaum mit mir.
    »Sehr witzig.«
    Ich nahm ihn in den Arm und drückte ihm einen Kuss auf den Mund. Manchmal überkommt mich eine so tiefe Liebe, dass ich meine Kinder am liebsten fressen würde. Das passiert immer ganz überraschend, und ich muss sie dann sofort an mich ziehen und küssen. Früher mochten sie das und haben ihre dünnen Arme um mich geschlungen. Diese Momente wahren Glücks fehlen mir manchmal.
    »Mann, Mama, lass los, das nervt!«
    »Gut, dann nicht. Irgendwann wirst du dich nach den Küssen deiner Mutter zurücksehnen.«
    »So was darfst du nicht sagen, damit machst du ihn schwul!« Ricarda strich sich über den Bauch. »Ich esse sowieso keinen Kuchen. Ich bin zu fett. Ich geh nach oben.«
    »Ricarda! Du bleibst hier und hilfst gefälligst! Du holst jetzt auf der Stelle die Keksdose und den Stollen aus dem Keller.« Wenn meine Stimme kurz davor war, sich zu überschlagen, gehorchten die Kinder meistens.
    »Was? Keinen Kuchen?« Rolfi zog ein Gesicht. »Sind die Kekse wenigstens selbst gebacken?«
    »Wann soll ich das denn noch alles machen?«
    »Du bist doch eh den ganzen Tag zu Hause.« Ricarda schlappte die

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