Tiere essen
Rinderbetrieben waren in ganzen 25 Prozent der Schlachthöfe so schwere Quälereien zu beobachten, dass sie bei ihrer Kontrolle automatisch durchfielen (»ein Tier bei Bewusstsein an den Haken zu hängen« wird dabei als Musterbeispiel für die Art von Tiermissbrauch angeführt, die automatisch zum Durchfallen führen müsste).
Bei anderen Untersuchungen wurde Grandin Zeugin, wie ein Arbeiter ein Rind bei vollem Bewusstsein zerlegte, wie zum Entbluten am Haken hängende Rinder wieder zu Bewusstsein kamen und wie Arbeiter »Rindern den Elektro-Treibstab in den Anus stießen«. Was passierte dann wohl erst, wenn niemand hinsah? Und was ist mit der überwiegenden Mehrheit der Schlachtbetriebe, die ihre Türen erst gar nicht für Kontrollen öffnen?
Die Farmer haben eine direkte, humane Beziehung zu ihrer Arbeit verloren – man hat sie ihnen genommen. Immer häufiger gehören ihnen die Tiere nicht mehr, sie können nicht über die Haltungsmethoden entscheiden, dürfen nicht nach ihren eigenen Maßgaben vorgehen und haben keine Alternative zum Hochgeschwindigkeitsschlachten der Industrie. IndustriellesSchlachten entfremdet die Farmer nicht nur von den Tätigkeiten der Fleischproduktion (aufhängen, zerhacken, zersägen, stechen, zerlegen), sondern auch von den Produkten selbst (widerliche, ungesunde Nahrungsmittel) und wie sie verkauft werden (anonym und billig). Unter den Bedingungen eines Massentierbetriebs oder eines Schlachthofs können menschliche Wesen nicht Mensch sein (geschweige denn menschlich). Eine größere Entfremdung vom Arbeitsplatz als in der industriellen Fleischproduktion gibt es derzeit nicht. Es sei denn, man bedenkt, was die Tiere durchmachen.
4.
Der amerikanische Tisch
MACHEN WIR UNS NICHTS VOR: Den meisten von uns stehen nicht besonders viele Möglichkeiten offen, sich ethisch einwandfrei zu ernähren. In Amerika gibt es nicht genug Hähnchen aus artgerechter Haltung, um die Bevölkerung von Staten Island zu versorgen, und es gibt nicht genug Schweinefleisch aus artgerechter Haltung, um die Stadt New York zu beliefern, geschweige denn das ganze Land. Ethisch unbedenkliches Fleisch ist Mangelware, keine Realität. Jeder ernsthafte Befürworter von ethisch einwandfreiem Fleisch kommt nicht umhin, viel vegetarische Lebensmittel zu essen.
Eine erkleckliche Anzahl von Menschen kauft neben Fleisch aus Massentierhaltung auch Fleisch von Tieren aus artgerechter Viehzucht, wenn es erhältlich ist. Das ist ehrenwert, hilft aber nicht. Wenn unsere moralische Fantasie wirklich nicht weiter reicht, ist es schwer, die Zukunft optimistisch zu sehen. Jedes Vorhaben, das der Massentierhaltung Geld zuführt, wird die Massentierhaltung nicht beenden. Wie wirksam wäre der Busboykott von Montgomery gewesen, wenn die Demonstranten den Bus benutzt hätten, sobald ihnen andere Transportmöglichkeiten zu unbequem erschienen wären? Wie wirksam wäre ein Streik, wenn die Arbeiter zurück an die Arbeit gingen, sobald das Streiken zu schwierig wäre? Wer sich durch dieses Buch aufgefordert fühlt, Fleisch aus artgerechter Haltung und gleichzeitig auch aus Massentierhaltung zu kaufen, hat etwas herausgelesen, was nicht hier steht.
Wenn es uns mit dem Beenden der Massentierhaltung wirklich ernst ist, dann ist das Allermindeste, was wir tun können, den schlimmsten Tierquälern kein Geld mehr zu geben. Einigen wird die Entscheidung, auf Produkte aus Massentierhaltung zu verzichten, leichtfallen. Anderen wird sie schwerfallen. Für die, denen die Entscheidung schwer erscheint (ich hätte mich zu dieser Gruppe gezählt), stellt sich letztlich die Frage, ob der Aufwand sich lohnt. Immerhin wissen wir, dass wir mit dieser Entscheidung dazu beitragen, die Waldzerstörung zu verhindern, die globale Erwärmung einzudämmen, Umweltverschmutzung zu reduzieren, Ölreserven zu sparen, die Bürde für das ländliche Amerika zu mindern, den Missbrauch von Menschenrechten zu verringern, die öffentliche Gesundheit zu verbessern und den schlimmsten systematischen Tiermissbrauch abzuschaffen. Was wir allerdings nicht wissen, könnte genauso wichtig sein. Wie würden wir uns verändern, wenn wir eine solche Entscheidung träfen?
Abgesehen von den direkten wesentlichen Veränderungen, die ein Ausstieg aus der Massentierhaltung in Gang setzen würde, wäre die Entscheidung für eine umsichtige Ernährung an sich schon ein Faktor mit enormem Potenzial. Was für eine Welt würden wir schaffen, wenn wir dreimal am Tag unser Mitgefühl und
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