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Tiere essen

Tiere essen

Titel: Tiere essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
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darauf herumreiten, aber …«
    … aber was zum Teufel mache ich hier eigentlich? Ich bin kein Journalist, Aktivist, Tierarzt, Rechtsanwalt oder Philosoph – wie, soweit ich weiß, die meisten anderen, die solche Ausflüge machen. Ich habe keine Mission. Und ich kann nicht vor einem Bullen still stehen.
    Wie geplant halten wir im knirschenden Kies an der ausgesuchten Stelle und warten darauf, dass unsere synchronisierten Uhren wie geplant auf drei Uhr vorrücken. Von dem Hund, den wir tagsüber gesehen hatten, ist nichts zu hören, was aber nicht wirklich beruhigend ist. Ich hole den Zettel aus meiner Tasche und lese ihn ein letztes Mal:
    Wenn ein Tier eingesperrt ist und über einen Zeit raum von mehr als zwölf Stunden keine Nahrung und kein Wasser erhält, darf jedermann von Zeit zu Zeit, sooft es nötig erscheint, in den Stall oder Pferch ein dringen, in dem das Tier gehalten wird, und ihm die benötigte Nahrung und Wasser bringen, solange das Tier dort verbleibt. Das Eindringen ist in diesem Fall nicht strafbar …
    Das ist zwar das Gesetz, macht mir aber nicht wirklich Mut. Ich stelle mir vor, wie ein schwer bewaffneter Farmer, der gerade aus dem REM – Schlaf gerissen wurde, mir Hänfling gegenübersteht. Ich kenne mich mit Rucola und Rugelach aus und bin hier, um die Lebensbedingungen seiner Puten zu überprüfen. Er entsichert seine doppelläufige Flinte, mein Schließmuskel entspannt sich, und dann? Zücke ich das kalifornische Strafgesetz, Paragraf 597e? Juckt ihm der Finger am Abzug dann weniger?
    Es ist so weit.
    Wir verständigen uns mit einer Reihe theatralischer Handzeichen, dabei hätten wir ebenso gut einfach flüstern können. Aber wir haben ein Schweigegelübde abgelegt: kein Wort, bis wir wieder sicher auf dem Heimweg sind. Den latexumhüllten Zeigefinger kreisen lassen bedeutet: Los geht’s.
    »Du zuerst«, platze ich heraus.
    Und dann kommt der beängstigende Teil.

Ihre Bemühungen
    Sehr geehrte Damen und Herren bei Tyson Foods,
    ich möchte noch einmal auf meine Schreiben vom 10. Januar, 27. Februar, 15. März, 20. April, 15. Mai und 7. Juni zurückkommen. Ich bin, wie gesagt, Vater eines kleinen Sohnes und möchte so viel wie möglich über die Fleischindustrie wissen, um eine fundierte Ent scheidung treffen zu können, was ich meinem Sohn zu essen gebe. Da Tyson Foods der weltweit größte Her steller und Vermarkter von Hühner-, Schweine-und Rindfleisch ist, liegt es nahe, als Erstes mit Ihnen in Kontakt zu treten. Ich würde gern einige Ihrer Farmen besichtigen und mit Vertretern der Firma über Ihre Betriebsführung und über Tier-und Umweltschutz sprechen. Wenn möglich, würde ich mich auch gern mit einigen Ihrer Farmer unterhalten. Zeitlich bin ich flexibel, auch kurzfristig, und nehme gegebenenfalls auch gern eine längere Anreise in Kauf.
    Angesichts Ihrer »familienfreundlichen Philosophie« und Ihrer Werbekampagne »Das hat Ihre Familie ver dient« gehe ich davon aus, dass Sie meinen Wunsch nachvollziehen können, mir selbst ein Bild davon zu machen, woher die Nahrung meines Sohnes kommt. Herzlichen Dank für Ihre Bemühungen,
    mit freundlichen Grüßen
      Jonathan Safran Foer

Das ganze traurige Geschäft
    WIR HABEN EIN PAAR HUNDERT METER von der Farm entfernt geparkt, weil C. auf einem Satellitenfoto gesehen hat, dass man von dort aus im Schutz eines Aprikosenhains zu den Ställen gelangen kann. Zweige streifen unsere Körper, während wir schweigend durch den Hain gehen. In Brooklyn ist es sechs Uhr morgens, das heißt, mein Sohn wird bald aufwachen. Er wird einige Minuten in seinem Bettchen herumwühlen und dann schreien, weil er sich an den Gitterstäben in den Stand gezogen hat und nicht weiß, wie er wieder hinunterkommen soll. Dann wird meine Frau ihn auf den Arm nehmen, sich mit ihm auf den Schaukelstuhl setzen und ihn stillen. Das alles hier – die Reise nach Kalifornien, diese Worte, die ich in New York tippe, die Farmen, die ich in Iowa, Kansas und Puget Sound besucht habe – würde mich viel weniger berühren, wenn ich nicht Vater, Sohn oder Enkel wäre. Wenn ich – wie niemand es je getan hat – allein essen würde.
    Nach etwa 20 Minuten bleibt C. stehen und dreht sich um 90 Grad. Ich habe keine Ahnung, woher sie weiß, dass sie genau hier stehen bleiben muss, an einem Baum, der genauso aussieht wie die Hunderte, an denen wir schon vorbeigegangen sind. Wir gehen noch einige Schritte durch ein identisches Geflecht von Zweigen. Durch das letzte bisschen

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