Tiffany Duo Band 0119 (German Edition)
weitere lange Pause folgte. “Und dann?”
“Hat er sie bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen.”
Die wenigen Worte malten für Audrey ein lebhafteres Bild, als es eine detaillierte Beschreibung getan hätte. Sie nahm an, dass Gray seinen Vater hasste.
“Ist deine Mutter …?”
“Sie ist vor anderthalb Jahren gestorben.”
“Ich weiß, wie es ist … die Mutter zu verlieren”, flüsterte Audrey. “Es tut mir leid.”
Gray nahm ihre Hand und küsste ihre Fingerspitzen. “Mir auch. Sie wurde schließlich noch glücklich, aber sie hatte nicht mehr viel Zeit dazu.”
“Und dein Vater?”
“Sie ließ sich scheiden, aber er kam noch einmal zurück, und sie landete mit zwei gebrochenen Beinen, einer Gehirnerschütterung und mehr Verletzungen, als man sich vorstellen kann, im Krankenhaus. Er musste ins Gefängnis und ist dort gestorben.” Ein tiefer Seufzer entrang sich Grays Kehle.
“Und deine Brüder?” Audrey konnte sich schon denken, was jetzt kam.
“Einer sitzt, weil er seine Exfrau angegriffen hat, der andere hat die Auflage, sich seiner Frau nicht mehr zu nähern.”
“Und du?”
Prüfend sah er sie an. “Was meinst du?”
“Du sagst, du gerätst deinem Vater nach”, sagte sie. “Gibt es irgendwo eine Exfrau oder eine Freundin, die du geschlagen hast?”
“Nein.” Er schüttelte den Kopf. “Ich habe niemand geschlagen.”
“Was hat das dann mit dir zu tun?”, beharrte Audrey.
“Ich habe gelobt, niemals so zu werden …”
“Und du bist es auch nicht geworden.”
Er schüttelte den Kopf. “Ich will nicht die Sicherheit einer Frau aufs Spiel setzen.”
“Also keine Ehe? Keine längere Beziehung?”
“Ich darf es nicht riskieren”, flüsterte er.
Langes Schweigen folgte. Audrey fragte sich, wie sie Gray überzeugen konnte, dass er nicht wie sein Vater oder seine Brüder war. Sie war sicher, dass nur wenige Männer mitten im Akt aufhören würden, weil sie dachten, sie täten einer Frau weh, und das sah nicht nach einem Mann aus, der eine Frau schlagen würde.
“Das ist nicht alles”, begann er wieder. “Erinnerst du dich, dass ich einen Mann getötet habe?”
“Ich habe es nicht vergessen.”
“In Dallas habe ich bei einem Amt gearbeitet, das sich mit Gewalt in der Familie befasste. Einen Fall möchte ich dir schildern: Eine junge Mutter mit drei kleinen Kindern hatte die Scheidung eingereicht und eine gerichtliche Verfügung gegen ihren Mann erwirkt. Er hat sie nicht nur geschlagen …” Gray schloss die Augen vor dem grauenhaften Gedanken. “Er war hinter der größten Tochter her.”
“Und du hast ihn erschossen”, sagte Audrey.
Gray nickte.
“Im Einsatz?”
“Ja.”
Audrey legte ihm die Handfläche auf die Wange und drehte seinen Kopf so, dass sie ihm ins Gesicht schauen konnte. “Ich wusste, dass es so ähnlich sein musste.”
“Mach mich bloß nicht zum Helden. Das bin ich nicht. Ich wollte den Bastard tot sehen.”
Audrey nickte. “Das verstehe ich.”
“Nein, das tust du nicht”, widersprach er. “Ich habe die Beherrschung verloren und mich zum Richter und Vollstrecker gemacht.”
“Warum sitzt du dann nicht im Gefängnis?”, fragte sie. “Wurde der Fall nicht verhandelt?”
Er rollte herum und stützte sich auf die Ellbogen. “Nein. Man sah meine Handlungsweise als gerechtfertigt an. Und die Witwe hat sich bei mir bedankt.”
“Aber dann ist doch alles gut. Ich frage mich, wieso du nicht an die ewige Liebe glaubst.” Forschend blickte sie ihn an und erkannte, wie viel er von sich preisgegeben hatte und für wie fehlerhaft er sich hielt. Es war Zeit, dass er auf andere Gedanken kam.
Audrey rollte sich auf ihn, setzte sich rittlings auf ihn, beugte sich herab und küsste ihn. Dann sagte sie: “Ich will dich noch einmal lieben.”
Begehrlich strich er ihr über die Hüften und umfasste ihre Brüste. “Ich bin ein alter Mann. Ich weiß nicht, ob ich schon wieder kann.”
“Alt? Du doch nicht.”
“Im Vergleich zu dir bin ich uralt.”
Sie kuschelte sich näher an ihn und spürte, wie sich sein Verlangen an ihrem Schenkel regte.
“So uralt auch wieder nicht”, flüsterte sie an seinem Mund. Dann küsste sie ihn leidenschaftlich und fühlte kurze Zeit später seine harte Männlichkeit.
Sie nahm ihn in sich auf und zeigte ihm, so gut sie konnte, was er ihr für sie war: ein heißblütiger, zärtlicher, beschützender, sanfter und aufrichtiger Mann.
Wenigstens wusste sie jetzt, welche Dämonen ihn verfolgten. Sie würde
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