Tiffany Duo Band 0149 (German Edition)
schieben. Dabei konnte er doch gar nichts dafür. Dennoch, Ken war so ein übermäßiger Macho, so arrogant, so allwissend. Kurz: genau der Typ von Mann, für den Ellie weniger als nichts übrig hatte. Wahrscheinlich hatte er so das Licht der Welt erblickt, war so erzogen worden und würde immer so bleiben. Nichts würde ihn jemals erträglicher machen können.
Doch trotz dieser Charakterschwäche – oder vielleicht gerade deswegen – hielt sie ihn für einen sehr guten Agenten. Er war vorsichtig, ein sorgfältiger Planer. Eigenschaften, die Ellie schätzte. Ken überließ nichts dem Zufall. Aber wer hätte mit einer Lebensmittelvergiftung rechnen können?
Eine Lebensmittelvergiftung!
Es hatte zwei Jahre gedauert, alles vorzubereiten. Unzählige Stunden des Recherchierens und des gefährlichen Verhandelns waren vergangen, um den Weg hierher zu ebnen. Und jetzt lag ihr Partner hilflos im Bett. Gerade jetzt, obwohl der Anfang einer Operation immer der kritischste Zeitpunkt war. Gerade jetzt, da die Falle gestellt worden war, ihr Opfer sie beobachtete und das Ziel bereits vor Augen lag!
Aber es war nicht sein Fehler.
Verdammt, warum musste das gerade ihm passieren?
Sie hielt mitten im Strom der Touristen inne.
“Au!”, rief Ellie, als ein drahtiger Körper mit genug Wucht an den ihren prallte, um ihr die Luft zu nehmen.
Sie versuchte, nicht ihr Gleichgewicht zu verlieren und gleichzeitig ihre Umhängetasche festzuhalten. Aber als ihre Hand zu der Stelle kam, wo der Riemen hätte sein sollen, griff sie ins Leere.
“Halt!”, rief sie dem kleinen Jungen hinterher, der, ihre Tasche an die Brust gepresst, durch die Menge davoneilte.
“Komm sofort zurück!”, schrie sie und folgte dem Dieb durch die Menge der staunenden Touristen. “Haltet ihn fest! Er hat meine Tasche geklaut!”
Die Tasche! Es ging Ellie nicht um das Geld – das konnte vom Büro ersetzt werden –, aber um die Pläne der Operation, unter anderem Anweisungen, wie sie Kontakt mit der Bande aufnehmen sollte.
Das
waren Informationen, die nicht in falsche Hände geraten durften. Panik machte sich in ihr breit.
Himmel, Agent Burnsides Lebensmittelvergiftung war nichts im Vergleich zu diesem Desaster.
Ellie versuchte, sich durch die Menschenmenge einen Weg zu bahnen, was ungefähr so einfach war, wie eine Sanddüne hinaufzurennen. Vielleicht hätte sie ohne diese verdammten Sandalen eine Chance gehabt. Aber sie hatte sich schließlich als Touristin verkleiden müssen, Hawaiishorts, ärmelloses Top, das ganze Programm. Wenn sie jetzt doch bloß ihre Turnschuhe trüge! Damit würde sie jeden stehen lassen – Ellie war schon immer schnell gewesen. Aber mit den harten Sohlen dieser klapprigen Sandalen konnte sie auf den unregelmäßigen Pflastersteinen des Marktplatzes einfach nicht recht vorankommen. Durch ihre Tränen hindurch erkannte sie den Jungen, der auf jenen Teil der Hafenstadt zulief, den die Touristen nie zu Gesicht bekamen: ein Wirrwarr aus staubigen Gassen, Wellblechhütten und Treibholz, Netzen und Fischerbooten. Wenn er es bis dahin schaffte, wäre es das Ende – das wusste sie.
Aber was sie dann sah, ließ sie ihren Augen nicht trauen.
Plötzlich war der dunkelhaarige Junge wie vom Erdboden verschluckt. Nur Ellies Tasche war zu sehen, wie sie durch die Luft segelte. Auf einmal griff eine dunkel gebräunte Hand mit blau verschmierten Fingern danach und fing sie auf. All das geschah, so kam es Ellie vor, wie in Zeitlupe.
Sie blieb stehen und rang nach Luft. Erstaunen und Erleichterung verschlugen ihr die Sprache. Es war nicht so, als ob sie noch nie ein Wunder erlebt hätte. Im Gegenteil: Sie hatte gesehen, wie Killerwale sich paarten; sie war bei der Geburt eines Delfins dabei gewesen; sie hatte das Eierlegen einer Wasserschildkröte erleben dürfen. Von den vielen kleinen alltäglichen Wundern ganz zu schweigen. Aber das war das erste Mal, dass ein weiterer Mensch daran beteiligt war – zudem ein männlicher!
Ellie konnte es kaum fassen, als der Schuldige mit tränenüberströmtem Gesicht zu ihr gebracht wurde. Der Junge war so dünn, so zerbrechlich, dass die Hand, die ihn am Nacken festhielt, den Eindruck vermittelte, ihn jederzeit brechen zu können.
“Gehört die Ihnen?”, fragte der Mann, der ähnlich heruntergekommen aussah wie der Dieb, und streckte ihr die Tasche entgegen. Der Schatten des Panamahuts verbarg seine zusammengekniffenen Augen. Obwohl Ellie die Zähne des Mannes sehen konnte, schien er nicht zu
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