Tiffany Duo Band 0149 (German Edition)
hier? Offensichtlich wartete sie auf jemand. McCall konnte nur hoffen, dass sie es wieder zum Schiff schaffte, ohne mehr zu riskieren als nur ihre Tasche.
Aber es geht mich nichts an, dachte er.
Leben und leben lassen.
Ihr Lächeln erschien immer wieder vor McCalls innerem Auge. Wie es plötzlich ihr ernstes Gesicht erhellt hatte! Er konnte nicht anders, als ihr heimlich hin und wieder einen verstohlenen Blick zuzuwerfen. Immer wieder schaute sie auf ihre Armbanduhr.
José sah McCall bittend an. Er kannte seine Gäste und machte sich Sorgen. Der Maler verstand ihn nur zu gut:
Mann, sie ist eine Amerikanerin und du ein Amerikaner – du bist für sie verantwortlich. Tue etwas, Gringo!
Aber McCall zuckte in typischer Latino-Manier nur mit den Achseln, was so viel bedeutete wie:
Nicht mein Problem.
Er wollte gerade ein weiteres Bier bestellen, als sie aufstand und zur Bar ging. Was für eine Närrin! Er glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Man sollte sie am Kragen packen und zu ihrer Mutter oder ihrem Mann bringen, dachte er aufgebracht. Innerlich schüttelte er sich beim Gedanken an ihren Mann – sie hatte einen Ehering getragen.
Ärger machte sich in ihm breit. Was dachte ihr Mann sich bloß, sie in solche Spelunken gehen zu lassen? Vielleicht, sie dort auch noch treffen zu wollen?
Fassungslos beobachtete McCall, wie sie sich durch eine Gruppe von Männern zur Bar zwängte, José ein paar Fragen stellte und sich dann wieder an den lechzenden Männern vorbei drückte, um die Kneipe zu verlassen.
McCalls Blut fing zu kochen an, als sich zwei der Männer lüstern angrinsten und ihr folgten.
Leben und leben lassen, nicht mein Problem, dachte er und starrte auf sein Bier.
Nach wenigen Sekunden fluchte er jedoch leise, warf ein paar Pesos auf den Tisch und ging den dreien hinterher.
2. KAPITEL
Vor der Kneipe schaute sich McCall erst einmal um, während er eine Zigarette anzündete. Vorsicht war besser als Nachsicht in diesem Viertel.
Eine Nachhut des tropischen Sturms ‘Paulette’ blies ihm angenehm kühle Meeresluft ins Gesicht, als er plötzlich zwei tiefe Stimmen vernahm; sie sprachen Spanisch. Dann hörte er eine höhere, die ihm bekannt war, antworten.
McCall folgte dem Klang der Stimmen und sah drei Schatten in einer staubigen Gasse – zwei größere und einen kleinen. Er stieß den Rauch aus und warf die Zigarette weg, ehe er weiter auf sie zuging.
Plötzlich hörte er einen Schrei und sah, wie einer der größeren Schatten in sich zusammensank.
Kurz darauf fing der andere männliche Schatten an, einen komischen Tanz aufzuführen, während McCall eine Reihe spanischer Schimpfwörter an die Ohren drang.
Jetzt oder nie, dachte er und sprang vorwärts, nahm das Zimtmädchen beim Arm und riss sie mit sich.
Sie wehrte sich, gab aber keinen Laut von sich. “Hören Sie auf, Sie Idiotin! Merken Sie denn nicht, dass ich Ihnen helfen will?”
Als sie in Sicherheit waren, ließ McCall sie los. Sie trat einen Schritt zurück und sagte überrascht: “Sie sind ja der Maler! Der Amerikaner vom Markt heute Morgen.”
McCall brummte.
“Ich habe Ihre Hilfe nicht benötigt.” Sie schnaubte empört. “Nicht für die zwei”, sagte sie und machte eine abschätzige Handbewegung in Richtung ihrer Angreifer.
McCall konnte es kaum fassen. “Lady, Sie brauchen keine Hilfe, sondern ein Kindermädchen. Wenn die erst einmal handgreiflich werden …”
“Dann wäre ich schon längst auf und davon”, unterbrach sie ihn und wies bedeutungsvoll auf ihre Turnschuhe.
“Gott behüte”, stöhnte er. Aber sie hatte etwas – das konnte er nicht leugnen. Beinahe musste er laut auflachen, hielt sich aber zurück. “Sie haben hier nichts zu suchen. Und noch viel weniger in einer solchen Kneipe.”
“Das geht Sie nichts an”, wies sie ihn zurecht.
“Lady, da haben Sie recht”, stimmte er zu und schaute sie finster an. Innerlich verfluchte er sich, seinem Motto nicht treu geblieben zu sein. Das hatte er nun davon.
Trotzdem folgte McCall ihr. Hatte sie ihm nicht gesagt, dass sie seine Hilfe nicht brauchte? Hatte er ihr nicht zugestimmt, dass sie ihn nichts anginge?
Selbstsicher und beherzt ging das Zimtmädchen weiter.
“Haben Sie Brotkrumen gestreut, um den Weg zurückzufinden?”, fragte McCall spöttisch.
Sie warf ihm einen Blick zu, antwortete aber nicht. Er nahm sie ganz sanft beim Arm, und sie zuckte spürbar zusammen. “Die
Playa
ist in dieser Richtung”, erklärte er überhöflich. “Ihr Boot auch.
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