Tinnitus - Endlich Ruhe im Ohr
der Hörschnecke räumlich getrennt. Die Blutgefäße verlaufen nur am äußeren Rand der Hörschnecke, fern vom inneren Zentrum, in dem die Nervenzellen liegen. Dies hat einen einfachen Grund: Würden die Blutgefäße in direkter Nachbarschaft der höchstempfindlichen Hörnerven verlaufen, hörten wir ständig das Blut rauschen. Die Blutgefäße stehen in Verbindung mit der »Schleimhaut« des Innenohres (Stria vascularis), die die ernährende Flüssigkeit bildet.
Querschnitt durch die »Röhre« der Hörschnecke
INFO
Nicht immer eine Durchblutungsstörung
Die Experten sind sich heute sicher, dass es nur in besonderen Fällen zu »echten Durchblutungsstörungen« kommt. Die Einnahme durchblutungsfördernder Tabletten wird deshalb heute als weitgehend sinnlos angesehen. Im Falle einer echten Durchblutungsstörung ist derzeit wahrscheinlich nur eine einzige Therapie in der Lage, dem Innenohr ernährenden Sauerstoff zuzuführen: die hyperbare Sauerstofftherapie (s. S. 86 ).
Die zentrale Hörbahn
Im Gehirn ist der weitere Verlauf des Höreindrucks sehr kompliziert. Die Hörinformation wird in mehreren Nervenkerngebieten verschaltet und verarbeitet, bevor sie das Kerngebiet Thalamus im Zwischenhirn erreicht; von dort wird sie auf die Hörrinde im Großhirn umgeschaltet (s. Abb. S. 34 ).
Die Lage der Hörbahn im Stammhirn deutet bereits anatomisch darauf hin, wie sehr das Hören mit den lebenswichtigen Funktionen verknüpft ist, denn im Stammhirn werden auch lebensnotwendige Grundfunktionen wie Atmung oder Herzschlagfolge gesteuert. Viel mehr als das Sehen können hier alarmierende Höreindrücke unmittelbar zu »Kampfbereitschaft« oder angstauslösende akustische Signale zuFluchtverhalten führen. Entsprechend wird das autonome, vom Willen unabhängige Nervensystem stimuliert, wodurch beispielsweise wiederum Stresshormone wie das Adrenalin ausgeschüttet werden. Die enge anatomische und funktionelle Beziehung zum so genannten limbischen System, das unsere Gefühlswelt steuert, widerspiegelt die Beeinflussbarkeit unserer Seele mit Hörinformationen.
INFO
Ohr als Empfänger
Die Diagnostik eines Ohrgeräusches ist nur vollständig, wenn sie alle vorhandenen anatomischen und physiologischen Gegebenheiten – auch die Verknüpfungen mit dem vegetativen (autonomen) Nervensystem und dem limbischen System, der Gefühlswelt – berücksichtigt. Das Ohr mit dem Mittel- und Innenohr ist in diesem System nur der Empfänger, das Mikrofon!
Zentrale Verarbeitung der Schalleindrücke. Nur ca. 30% der ankommenden Geräusche werden bewusst wahrgenommen, der Rest wird weggefiltert. Verschiedene Anteile des menschlichen Hörsystems entscheiden, welche Signale weggefiltert und welche verstärkt werden. Diese Vorgänge laufen zum Teil unbewusst ab. Sie führen dazu, dass manche Personen mit einem sehr lauten Geräusch gut leben können, andere aber unter einem verhältnismäßig leisen Geräusch bereits sehr stark leiden. Im ersten Fall gelingt es dem Hörsystem, das Signal des Tinnitus abzufiltern, im zweiten Fall gelingt dies nicht bzw. das Signal wird sogar durch unbewusste Vorgänge übermäßig verstärkt. Die Grundlage der Aktivierung dieser Filter ist die sog. Retraining-Therapie.
Schalleindrücke werden in verschiedenen Zentren verarbeitet. Die Information wird durch Verknüpfung mit anderen lebenswichtigen Funktionen (Gefühlswelt, Abwehr, autonomes Nervensystem) beeinflusst und verändert. Die zentralen Hörkerne der Hörbahn haben eine ausgesprochene Filterfunktion, d. h. sie wählen aus, welche Signale dem Empfänger bewusst werden. Sind diese Filter gestört, entstehen Tinnitus und Geräuschüberempfindlichkeit!
a: Zentrale Hörbahn im Gehirn. In der Hörschnecke (1) wird der Schall in elektrische Impulse umgewandelt. Diese gelangen über die Hörzentren im Hirnstamm (2) zu den höheren Kerngebieten (3 und 4). Dort wird die dem Schall innewohnende Information verarbeitet und für die Auswertung der Hörrinde (5) vorbereitet. Die Hörrinde ist der anatomische Bereich im Gehirn, der für die Hörwahrnehmung verantwortlich ist. Alle Signale, die den Filter der zentralen Hörkerne passiert haben und in der Rinde ankommen, werden bewusst gehört. Nur ein kleiner Teil der gesamten akustischen Information wird also bis zur Hörrinde weitergeleitet.
b: Die Verarbeitung akustischer Signale und Informationen in unserem Gehirn. Bestimmte »Computerzentren« haben unterschiedliche Aufgaben: Im Hirnstamm werden »gefährliche«
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