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Titan 02

Titan 02

Titel: Titan 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jescke
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dumme, tolpatschige, gemeine Geschöpfe ohne Verstand und Sprechfähigkeit. Was war natürlicher, als daß sie zu stummen, egoistischen Tieren heranwuchsen, die sich nur um ihre Behaglichkeit, ihr Fressen und ihre Fortpflanzung kümmerten? Kätzchen dagegen waren flink, lebendig, empfindsam, feinfühlig und zärtlich. Welches andere Geschick konnte ihnen bestimmt sein als zu den geistvollen, sprechenden, schreibenden, musizierenden, Fleisch besorgenden und austeilenden Herren dieser Welt heranzuwachsen? Was nun rein physische Unterschiede anbelangt, so hieße es, den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen, wollte man darauf hinweisen, daß Kätzchen und Menschen, Babys und Katzen weder nach Aussehen noch nach Größe besonders ähnlich sind - es wäre so, als würde ein Entomologe die Metamorphose von Insekten als ein Märchen abtun, weil er mit seinem Mikroskop nicht die Flügel eines Schmetterlings in einer fetten Raupe oder die eines schimmernden Käfers in einer Made finden konnte.
    Trotzdem war es eine so gewaltige, revolutionäre Erkenntnis, daß Gummiez sehr gut verstand, warum die Menschen, Katzen, Babys und wohl auch die meisten Kätzchen keine Ahnung davon hatten. Wie kann man einem Schmetterling taktvoll erklären, daß er einst ein behaarter Kriechwurm war, oder einer unansehnlichen Larve, daß sie eines Tages ein lebendes Juwel werden wird? Nein, in solchen Situationen mußte der empfindsame Geist von Menschen wie Katzen durch eine gnädige Massenamnesie vor der Erkenntnis der Wahrheit geschützt werden - vergleichbar der Massenamnesie, die uns laut Velikovsky davor bewahrt, uns zu erinnern, daß die Erde noch in historischer Zeit in einer fürchterlichen Katastrophe von dem Planeten Venus angerempelt wurde, der sich wie ein Komet benahm, bevor er sich (gewiß mit einem kosmischen Seufzer der Erleichterung!) in seiner jetzigen Bahn niederließ.
    Diese Schlußfolgerung wurde bestätigt, als Gummiez im ersten Fieber der Erleuchtung versuchte, seine große Erkenntnis anderen mitzuteilen. Er sprach im Katzenpatois, soweit es dieser nicht eben ausdrucksreiche Jargon erlaubte, zu Assurbanipal und Kleopatra davon, ja selbst zu Sissy und Baby, obwohl das wirklich ein Schuß ins Blaue war. Niemand zeigte auch nur das geringste Interesse, wenn man davon absieht, daß Sissy seine blinde Begeisterung ausnützte und ihn mit einer Gabel piekte.
    Später, als er mit Dosenfutter allein war, strahlte er die grandiosen neuen Gedanken aus und starrte den alten Gott mit ernsten gelben Augen an, bis dieser merklich unruhig wurde, ja bereits Anzeichen von echter Furcht erkennen ließ, so daß Gummiez von seinen Kommunikationsbemühungen abließ. (»Ich hätte schwören mögen, daß er mir etwas mindestens so Tiefsinniges wie Einsteins Theorie oder die Doktrin der Erbsünde mitteilen wollte«, erzählte Dosenfutter später Miez-Miez-Kooomm.)
    Gummiez war jedoch jetzt in allem bis auf das Äußere ein Mensch, das rief er sich nach diesen Fehlschlägen in Erinnerung, und es war wohl Teil seiner Bestimmung, allein die Last eines Geheimnisses zu tragen, wenn es nötig war. Er fragte sich, ob die allgemeine Amnesie ihn nach seiner Metamorphose auch überkommen würde. Diese Frage ließ sich nicht im vorhinein beantworten, doch er hoffte, daß er eine Ausnahme war - und manchmal glaubte er zu fühlen, daß seine Hoffnung begründet war. Vielleicht würde er der erste echte Kätzchenmensch werden, in dessen Wissen es keine verschlossenen Türen mehr gab.
    Einmal geriet er in Versuchung, den Prozeß durch Drogen zu beschleunigen. Niemand sonst war in der Küche, also sprang er auf den Tisch und begann die schwarze Pfütze am Grund von Dosenfutters Kaffeetasse aufzulecken. Das Zeug schmeckte bitter und giftig, und er zog sich mit einem leisen, spuckenden Fauchen zurück, erschrocken und auch abgestoßen. Der dunkle Trank würde, das war ihm nun klar, seine zungenlösende Wirkung erst zur richtigen Zeit und mit den richtigen Zeremonien ausüben. Wahrscheinlich waren auch diverse Zaubersprüche erforderlich. Gewiß war, daß unerlaubtes Kosten sehr gefährlich war.
    Gummiez erhielt einen weiteren Beweis dafür, daß Kaffee allein keine Wunder wirkte, als Miez-Miez-Kooomm auf die stumme Forderung von Sissy hin dem kleinen Mädchen ein paar Löffel voll gab, nachdem sie das Getränk zuvor mit ausgiebig Milch und Zucker gemildert hatte. Natürlich wußte Gummiez inzwischen, daß Sissy sich bald in eine Katze verwandeln mußte, und daß keine

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