Titan 19
sehr wohl, daß jede Gunst, die gewährt wurde, aus der ehrgeizigen Hand der Kaiseringemahlin Ivane stammte. Man würde nicht zulassen, daß sie, in deren Adern nicht das Blut der Tausend Kaiser floß, die Krone einer Kaiserin trug. Aber bei Hof leugnete niemand, daß sie der Quell kaiserlicher Gunst war. Und doch genügte ihr das noch nicht, das wußte Kieron. Ivanes Träume zielten nach Höherem. Und wegen all dieser geheimen Winkelzüge beleidigte man die alten Favoriten des Kriegers Gilmer, verweigerte ihnen die Audienz. Ein neuer Innerer Kreis war am Entstehen. Kieron von Walkür – das war offenkundig – sollte ihm nicht angehören. Man hinderte ihn daran, seine berechtigten Klagen dem Kaiser Toran vorzutragen.
Andere Dinge, so sagte man ihm immer wieder, erforderten die Aufmerksamkeit Seiner Kaiserlichen Majestät. Andere Dinge! Kieron spürte den Zorn, der heiß in seinen Adern pochte. Was für ›andere Dinge‹ konnte es denn geben, die einem Souverän wichtiger waren als die Loyalität seiner besten Kämpfer? Oder, wenn Toran wirklich ein Narr war, wie die Höflinge insgeheim behaupteten, dann war Ivane doch sicherlich zu intelligent, als daß sie einen Kriegslord der Äußeren Marschen drei Wochen lang im Vorzimmer warten ließ. Die Lady Ivane, die doch selbst so stolz war, sollte eigentlich wissen, wie wenig die Kriegervölker der Peripherie noch vom offenen Aufstand trennte.
Wenn man so offenkundig provoziert wurde, fiel es schwer, loyal zu bleiben und die Einladung von Freka von Kalgan zu ignorieren, sich mit den anderen Sternenkönigen zur Beratung zu treffen. Jemanden wie Kieron, der seine ganze Jugend im Kampf neben Gilmer verbracht hatte, lockte die Rebellion nicht, aber auch menschliche Geduld hatte Grenzen, und diese Grenze war jetzt nahe.
»Nevitta«, sagte Kieron abrupt. »Konntest du bezüglich der Lady Alys etwas herausfinden?«
Der alte Krieger schüttelte den Kopf. »Nichts als das, wovon alle reden. Es heißt, sie hätte sich eingeschlossen und würde immer noch um Gilmer trauern. Du weißt ja, Kieron, wie sehr die kleine Prinzessin ihren Vater geliebt hat.«
Der Lord von Walkür runzelte nachdenklich die Stirn. Ja, es war wahr, Alys hatte Gilmer geliebt. Er konnte sich erinnern, wie sie nach der Schlacht von Kaidor an der Seite des großen Kaisers gestanden hatte. Selbst die besiegten Lords jener Welt hatten eingeräumt, daß Gilmer den Planeten aufgegeben hätte, wäre es ihnen nur gelungen, seine Tochter gefangen zu nehmen. Die Bindung zwischen Vater und Tochter war sehr eng gewesen. Es war durchaus möglich, daß Alys sich wirklich eingeschlossen hatte, um zu trauern – aber Kieron zweifelte daran. Das wäre nicht Gilmers Art gewesen, und auch nicht die seiner Tochter.
»Hier wäre alles ganz anders«, sagte Nevitta nachdenklich, »wenn die kleine Prinzessin anstelle Torans regierte.«
Ganz anders, dachte Kieron. Es fehlte nicht viel, und der dumme Toran würde das verlieren, was vier Generationen loyaler Kämpfer aus den Ruinen der finsteren Jahre aufgebaut hatten. Alys, die Kriegerprinzessin, würde den Ruhm des Imperiums mehren, nicht ihn aufs Spiel setzen. Aber vielleicht war das ein Vorurteil, überlegte Kieron. Schwer wäre es nicht gefallen.
Er erinnerte sich ihrer lachenden Augen und ihres Muts. Ein schmächtiges Kind, geradeheraus und aufrichtig. Ihre Liebesbezeigungen vor seinen lauthals grölenden Walküren waren ihm manchmal peinlich gewesen. Aber die Armeen hatten sie vergöttert. Ein reizendes Kind – mit einem Patriziergesicht, aus dem der Rassenstolz leuchtete, aber durchaus sensibel. Wie oft hatte sie doch den Sterbenden und den Verwundeten Mut zugesprochen.
Acht Jahre waren seit den blutigen Tagen von Kaidor verstrichen. Das zwölfjährige Kind mußte jetzt eine Frau sein. Und, so dachte Kieron besorgt, eine Gefahr für die wachsende Macht der Kaiseringemahlin Ivane.
Plötzlich schwangen die mächtigen Bronzetore auf, und Kieron drehte sich um. Aber da stand nicht der Kaiser unter dem Bogen, nicht einmal die Kaiseringemahlin. Es war die juwelenbedeckte Gestalt Landors, des Ersten Raumlords.
Kieron schnaubte spöttisch. Erster Raumlord! Die Schatten der mächtigen Kämpfer, die jenen Titel in tausend Schlachten der Kaiserlichen Erde getragen hatten, mußte bei der Wahl Torans… oder Ivanes… des affektierten Höflings, der jetzt vor ihnen stand, Übelkeit überkommen haben.
Die zynischeren Angehörigen des Hofes sagten, Landor hätte sich seinen
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