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Titan 3

Titan 3

Titel: Titan 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl
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den Stufen. Die Dunkelheit ringsum wurde nur von der dürftigen Straßenbeleuchtung zwischen den Häuserreihen unterbrochen. Draußen auf der Betonfläche lagen Startrampe und Rakete noch immer im grellen Scheinwerferlicht. Als ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah sie vereinzelte Gestalten auf der Straße und im Umkreis der Gebäude. Welche von diesen Gestalten Will war, wußte sie nicht zu sagen. Komm zurück, Will! dachte sie. Ich habe es dir noch nicht gesagt. Bitte, Will!
    Er hatte gesagt, daß er es wisse. Vielleicht glaubte er es zu wissen, aber er wußte es nicht. Und vielleicht war es besser so. Vielleicht war es das beste für ihn, wenn er es niemals erführe. Wenn er sie weiterhin haßte, wie er es jetzt tat. Dann könnte er ohne Bedauern die Reise antreten.
    Du wirst allein zum Mars fliegen, Will. Ich kann nicht mitkommen, Will. Sie ließen mich nicht. Sie lehnten meinen Antrag ab…
    Aber das konnte er nicht wissen, weil sie es ihm nicht gesagt hatte. Die Worte hatten sie verlassen. Die glänzenden, alles erklärenden Worte, seit Wochen eingeübt, um ihr an diesem Abend glatt über die Lippen zu gehen; die verräterischen, nutzlosen Worte hatten sie in der Stunde der Not verlassen.
    Sie stand fröstelnd mit hochgezogenen Schultern und überlegte, was zu tun sei. Albern, hier in Kälte und Wind herumzustehen und melodramatischen Gedanken nachzuhängen. Aber wenn sie ginge, würde er sie vielleicht nicht finden, wenn er zurückkäme.
    In der Kantine wurde das Licht gelöscht, und sie stand unschlüssig da. Nach einer Weile öffnete sie die Handtasche und fühlte am Boden zwischen Taschentuch und Make-up nach dem rosa Bescheid. Die nächste Straßenlaterne war zwanzig Schritte entfernt, und es war zu dunkel zum Lesen, aber sie kannte den Wortlaut auswendig. Er war in ihr Gedächtnis eingebrannt: ›Susan Barth, Personalausweis Nr. 345 A7821. Dem Antrag auf Auswanderung kann aus medizinischen Gründen nicht stattgegeben werden. Die Untersuchung zeigte einen calcinierten Knoten im linken Lungenflügel. Die Disqualifikation ist endgültig.‹
    Das war alles. Ein vorgedruckter, mit drei Schreibmaschinenzeilen ausgefüllter rosa Bescheid. Das Ende einer Ehe, das Ende von Plänen und Hoffnungen und allem, was das Leben ihr bedeutete.
    Für Will war es nur das Ende der Wartezeit und die Verwirklichung eines Traums. Vielleicht auch der Beginn eines Hasses.
    Nein, sagte sie sich, sie werden es ihm sagen. Später, an Bord. Oder nach der Landung. Er würde nicht durch das Leben gehen, ohne die Wahrheit zu erfahren. Früher oder später mußte sie ihm bekannt werden. Es war nicht nötig, ihm jetzt den Grund ihres Zurückbleibens zu nennen; so würde es leichter für ihn sein.
    Ja, es hatte keinen Sinn, zu warten. Es war besser, ihn nicht zu sehen. Sie stand da, starrte zur Abschußrampe hinüber, ohne sie zu sehen, und fröstelte.
     
    Der Maschendraht des Zauns schnitt ihm in die Finger, und er lockerte seinen Griff. Er ließ den Kopf auf dem angehobenen Unterarm ruhen und stöhnte leise. Feigheit und Verrat, dachte er. Nie hätte ich ihr das zugetraut.
    »Nervös, Kumpel?«
    Er hob den Kopf und wandte sich vom Zaun ab, ballte unwillkürlich die Fäuste.
    »Vielleicht«, murmelte er.
    Der Mann war einer von den Kolonisten, den er vom Ansehen kannte, aber nicht dem Namen nach; ein stämmiger, untersetzter Typ mit blondem Haar und breitem Lächeln. »Ich bin rausgegangen, um eine Minute von der Frau loszukommen«, erzählte er munter. »Sie ist so aufgeregt, daß sie nicht für eine Sekunde den Mund halten kann. Und jedes zweite Wort handelt von den schweren Zeiten, die uns bevorstehen. Ist deine Frau genauso?«
    »Ich… äh… habe keine.«
    »Im Ernst? Ich wußte nicht, daß auch Junggesellen angenommen werden. Wenn ich das vorher gewußt hätte… Clara und ich heirateten eigentlich nur, weil wir beide auswandern wollten.«
    »Das ist hart.«
    »Nicht wahr? Und was ist mit dir – Ärger mit dem Mädchen?« fragte der andere.
    Will zuckte schweigend die Achseln.
    »Zu dumm«, meinte der Kurze. »Hat sich wohl einen anderen angelacht, hm?«
    Will sagte nichts, und sein Gegenüber merkte allmählich, daß er nicht erwünscht war. Nachdem er Will ein »Na, mach’s gut« gesagt und ihm jovial auf die Schulter geklopft hatte, ließ er ihn allein, und Will lauschte dankbar den sich entfernenden Schritten nach. Als er sich wieder umsah, war der Lichtschein hinter den Kantinenfenstern erloschen. Die Uhr an

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