Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Titan 3

Titan 3

Titel: Titan 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl
Vom Netzwerk:
nüchtern-spöttische innere Stimme aus dem Wirrwarr der Gefühle. Wie konnte er es verstehen? Er hatte keine Möglichkeit, die Wahrheit zu kennen. Sein Zorn bewies, daß er nichts von ihren Beweggründen wußte.
    »Gut«, sagte sie mit ruhiger, tonloser Stimme. »Ich werde still sein.« Und sie lächelte ein letztes Mal. Dies war eine gute Art, Abschied zu nehmen. Besser hätte sie es sich nicht wünschen können. Es war jetzt nicht mehr nötig, irgend etwas hinzuzufügen. Er mußte jetzt wissen, daß sie ihn liebte und immer lieben würde, gleichgültig, welches ihre Gründe waren. Sie sah ihm nach, als er sich mit einem Ruck umwandte und fortging, und begriff, daß auch sie ging; wenigstens ein Teil von ihr würde immer mit ihm sein, wohin er auch ging.
    Nach sechs Schritten blickte er über die Schulter zurück und verhielt lange genug, um zu sagen: »Und sag ihm von mir, er solle beweisen, daß er es verdient hat!«
     
    Hier anstellen. Halten Sie Ihren Impfpaß bereit. Spritzen. Eine neue Schlange. Gehen Sie dort hinüber. Letzte körperliche Untersuchung: keine ansteckenden Krankheiten. Gehen Sie dort hinein. Haben Sie Ihren Bescheid? Wieder anziehen. Sie erhalten Einheitskleidung. Die mitgebrachten Kleidungsstücke in diese Plastikbeutel stecken und das Schild mit Namen versehen; die Beutel werden den zurückbleibenden Angehörigen ausgehändigt. Noch eine Spritze, ein weiterer Stempel. Letzte psychische Untersuchung: »Finden Sie es nicht ein wenig ungewöhnlich, Mr. Barth, daß ein Ehepartner am Entschluß zur Auswanderung festhält, wenn der andere disqualifiziert worden ist?«
    Ein Lächeln. Nein, das stimmt nicht. Aber man muß sich so benehmen, wie der Mann es von einem erwartet. Zum Nachdenken ist später noch genug Zeit. Jetzt hier anstellen, dieses Papier abstempeln lassen. Disqualifiziert! Was sollte das heißen?
    Dann waren sie alle durch, und bis zum Start blieb noch eine Stunde. Jemand ging herum und verteilte Kaffee und irgendwelche Pillen. Beruhigungsmittel? Anregungsmittel? Er hatte keine Ahnung. Er schluckte die Pillen und spülte mit Kaffee nach.
    Disqualifiziert?
    Aber sie hatte nie ein Wort gesagt… sie hatte einen weißen Bescheid, genau wie er.
    Er stand auf, um jemanden zu suchen, der Bescheid wüßte, und erinnerte sich an die Worte und die zweifelnde Haltung des Psychologen. Wenn er jetzt anfing, Fragen zu stellen, und sie entdeckten, daß er von der Disqualifikation seiner eigenen Frau nichts gewußt hatte…
    Aber er mußte Klarheit haben.
    Weshalb sollte sie disqualifiziert worden sein? Es fehlte ihr nichts; sie war kerngesund. Es konnte sich nur um einen Irrtum handeln. Oder war es wirklich möglich, daß…
    Es mußte jemand geben, der Bescheid wußte. Er könnte nicht mitreisen, wenn… Nicht mitreisen? Aber wenn sie ihn brauchte…?
    ›Ich liebe dich, Will‹, hatte sie gesagt. Und er hatte sie angeknurrt.
    Vielleicht konnte er jetzt mit ihr sprechen; wahrscheinlich war sie über Nacht dageblieben. Irgend jemand hier würde es vielleicht wissen.
     
    Sie wälzte sich ruhelos auf dem schmalen Feldbett herum, sorgfältig bemüht, jedes Quietschen zu vermeiden und die Frauen in den anderen Betten im Saal nicht zu stören.
    Ob sie schliefen? Oder wälzten auch sie sich schlaflos auf ihren Lagern und starrten aus den Fenstern zur Uhr am Verwaltungsgebäude gegenüber?
    Es war zwanzig nach vier. Sie mußte doch noch ein wenig geschlafen haben. Verworrene Erinnerungen an einen Traum voller Wunderkerzen und feuerspeiender Raketen trieben durch ihr Bewußtsein, und dazwischen seine Worte: ›… sag ihm von mir…‹ Sie konnte nicht länger still liegen. Sie stand leise auf und tappte barfuß durch den Saal, ihre Kleider auf dem Arm. Am anderen Ende gab es einen Waschraum mit Toiletten. Sie ging hinein, schloß die Tür und schaltete das blendende Deckenlicht ein. Sie zog ihre Kleider an, die vom Herumliegen auf dem Fußboden, wo sie vor ein paar Stunden im Dunkeln alles hatte fallenlassen, staubig und zerknittert waren.
    Kaltes Wasser ins Gesicht, und das grelle Licht störte sie nicht mehr. Ein Blick in den Spiegel schockte sie so, daß sie ganz aufwachte. Sie suchte in der Handtasche nach dem Make-up und bekam den rosa Bescheid in die Finger, aber was spielte das jetzt noch für eine Rolle? Sie würde Will nicht mehr sehen, jedenfalls nicht aus der Nähe. Und er würde sie überhaupt nicht zu sehen bekommen.
    Aber wenn sie jetzt hinausginge und als erste an Ort und Stelle wäre,

Weitere Kostenlose Bücher