TITANIC-WORLD
traf sie ein Schuh im Rücken und sie ging erneut zu Boden. Die Anderen trampelten über sie hinweg; bewußtlos und mit zahlreichen Knochenbrüchen blieb sie schwer verletzt liegen.
Nick hatte in Gedanken versunken als Letzter das Restaurant verlassen und folgte der Gruppe nur langsam. Aprils gestammeltem Bericht hatte er nicht viel entnehmen können, während Craigs eindringlicher Appell ihn nur verwirrte. Ein schabendes Geräusch drang an sein Ohr. Neugierig drehte er sich um und sah, dass die Tische und Korbstühle langsam nach vorne rutschten. Die darauffolgende Erkenntnis traf ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel – die TITANIC-WORLD sank über den Bug! Mit einem flauen Gefühl im Magen wandte er den Blick ab; da erklangen die ersten panischen Schreie. Mit wild pochendem Herzen lief er ins Treppenhaus. Das Bild, das sich ihm bot, versetzte ihm einen weiteren Schlag und erschrocken blieb er stehen. In wilderPanik – schlagend, schubsend und tretend – versuchten etwa dreihundert Menschen die Treppe hinauf zu stürmen. Dabei behinderten sie sich gegenseitig. Hilflos musste Nick mit ansehen, wie die Stärkeren die Schwächeren einfach überrannten oder sie rigoros aus dem Weg drängten. Er bemerkte, dass viele stürzten und einige nicht wieder hoch kamen. Er hörte Craigs verzweifelte Rufe: „Wir müssen ein Deck tiefer! Der Ausgang ist ein Deck tiefer! Wir müssen aufs C-Deck!“ Aber kaum einer hörte auf ihn. In blinder Panik flohen sie weiter; nur etwa dreißig Personen standen noch unentschlossen bei Craig und April. Als der Titanic-Historiker Nick unter ihnen entdeckte, schüttelte er Aprils Arm ab und bahnte sich einen Weg zu ihm.
„Hör zu, Nick. Bring die Leute hier in Sicherheit. Ich geh‘ hoch aufs Bootsdeck und hol‘ den Rest.“
Ohne eine Antwort abzuwarten, flitzte er los. Nick blickte ihm einen Moment gedankenverloren nach. Dann wandte er sich entschlossen an die Anderen: „Okay, ihr habt gehört, was Craig gesagt hat. Ihr geht jetzt ein Deck tiefer und verlasst TITANICWORLD . Ich geh‘ hoch und seh‘, ob ich ihm helfen kann die Anderen in Sicherheit zu bringen.“
Es dauerte ein, zwei Sekunden, bis die Ersten reagierten; dann folgte der Rest und schließlich stand Nick alleine da. Er wollte gerade die ersten Stufen hinauf laufen, als erneut Schreie an sein Ohr klangen. Da machte er kehrt und stürzte die Treppe hinunter. Als er auf dem C-Deck anlangte, wusst er sofort, was geschehen war. Die Gangwaytüre stand sperrangelweit offen – aber von der Gangway fehlte jede Spur. Die vorderen Journalisten, unter ihnen hatte sich auch April Eastman befunden, waren in die Tiefe gestürzt; nicht wissend, dass der vermeintliche Schritt an Land, ein Schritt ins Bodenlose war. Nick starrte zu Tode erschrocken auf die im Wasser treibenden Körper. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ihm zu Bewusstsein kam, dass diese Menschen tot waren. Erschüttert hob er den Kopf und abermals fuhr im der Schrecken durch alle Glieder. Wohin er auch blickte – er sah nichts, nichts, als die Weite des Meeres. „Mein Gott“, entfuhr es ihm leise; hinter ihm begann eine Frau zu schluchzen.
Die Überwachungszentrale auf dem E-Deck war jetzt, um zwei Uhr fünf völlig überflutet. Die Bodenplatten hatten dem wachsenden Druck nicht mehr standhalten können und waren zerborsten. In dem Wasser schwammen fünf Leichen. Bei ihrem verzweifelten Versuch, die Scharniere zu lösen, hatten die kalten Fluten alle verschluckt. Unaufhaltsam strömte mehr Wasser hinein. Als sich der Bug immer tiefer absenkte, öffnete sich lautlos die Türe und die Toten trieben langsam hinaus.
Um fünf Minuten nach zwei betrat Craig den Rauchsalon. Er nahm nur am Rande war, dass Nick mit drei weiteren Männern an einem der Tische saß und apathisch geradeaus starrte. Es war vorbei! Das Unfassbare geschah und es gab nichts und niemand, dass es aufhalten konnte. Die TITANIC-WORLD – obwohl sicher im Hafen von Southampton verankert – trieb auf dem nächtlichen Atlantik und sank über den Bug, wie einst vor einhundert Jahren die TITANIC.
Mit einem letzten Bourbon ging Craig zum Kamin. Nachdem er das Glas auf dem Sims abgestellt hatte, stützte er sich mit einer Hand ab und sah zu Boden. In dieser Nacht würden 328 Menschen den Tod finden und es lag nicht in seiner Macht das Schicksal abzuwenden. In den vergangenen beiden Stunden hatte er alles versucht, um dem Unausweichlichen aus dem Wege zu gehen und Menschenleben zu retten. Doch es gab keinen
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