TITANIC-WORLD
befehlsgewohnt sagte er: „Bitte, hören Sie mir zu! Wir haben keine Zeit für Erklärungen! Ich muss Sie bitten, mir jetzt zu folgen und Ruhe zu bewahren!“ Mit diesen Worten ging er auf die Türen des Restaurants zu. Hier drehte er sich noch einmal um. Die Journalisten sahen ihn mit großen, fragenden Augen an, schienen aber bereit zu sein, mit ihm zu gehen. Er warf einen letzten Blick auf die Leiche seines Onkels. Sein Herz zog sich erneut in tiefem Schmerz zusammen; auch, weil er ihn zurücklassen musste. Craig schluckte und sagte dann rauh: „Bitte, kommen Sie.“
In der Überwachungszentrale kämpfte Joe gegen die wachsende Lethargie seiner Kollegen an. Pat und Sammy hatten sich angstvoll aneinander geklammert und weinten. Ihr lautes Schluchzen, das gelegentlich von gestammelten Gebeten unterbrochen wurde, zerrte an Joes Nerven. Er hatte anfangs noch versucht, den beiden Mut zuzusprechen und sie aufgefordert nachzudenken, um einen Ausweg zu finden – ohne Erfolg. Von Furcht und Entsetzen gelähmt hielten sie sich in den Armen und schließlich ließ er sie gewähren. Artie stand leichenblass daneben und flüsterte zusammenhangslos vor sich hin. Er hatte in der vergangenen halben Stunde fieberhaft versucht, das Kommunikationsnetz wieder in Gang zu bringen, aber all seine Bemühungen waren ergebnislos verlaufen. Gegen viertel nach eins hatte er, den Tränen nahe, völlig entmutigt aufgegeben. Pete, der Draufgänger des Teams, war neben Joe der Einzige, der die Hoffnung noch nicht aufgegeben hatte. Als Joe ihnen das durch die Bodenplatten quellende Wasser gezeigt hatte, war Pete ausgeflippt. Mit einem Aufschrei hatte er sich gegen die Türe geworfen – wieder und immer wieder, bis er einsehen musste, dass es zwecklos war. Seine rechte Schulter war angeschwollen und schmerzte höllisch. Trotzdem glaubte er fest, dass sie es schaffen könnten; er musste nur etwas finden, um die Türe aufzustemmen. Seit dem stapfte er fluchend durch das ansteigende Wasser, durchkämmte Schränke und Schubladen auf der Suche nach einem geeigneten Werkzeug. Joe, dem es zunehmend schwerer fiel, seine eigene aufsteigende Panik zu unterdrücken, starrte sinnend auf die verschlosseneTür. Mit einem Mal erhellte sich sein Gesicht, während er sich gleichzeitig in Bewegung setzte. Mühsam bahnte er sich einen Weg durch das bereits hüfthohe Wasser in die Küche und riss eine Schublade auf. Mit fünf Messern bewaffnet machte er wieder kehrt und drückte jedem seiner Kollegen eins in die Hand. Dabei sagte er mit fieberhaftem Eifer: „Hier. Benutzt die Messer, um die Schrauben von den Scharnieren zu lösen.“ Als sich niemand rührte, sondern ihn nur verständnislos anstarrten, rief er aufgebracht: „Die Scharniere! Wenn wir die von Wand und Türe lösen, sind wir gerettet!“
Immer noch bewegte sich keiner und Joe verlor die Geduld. „Ihr müsst mir helfen“, brüllte er wütend. „Alleine schaff‘ ich das nicht! Das ist die einzige Möglichkeit hier raus zu kommen! Los, jetzt! Oder wollt ihr elendig absaufen?“
Pete löste sich zuerst aus seiner Erstarrung. Durch das steigende Wasser bahnte er sich hektisch einen Weg zur Tür. Artie sah Joe noch sekundenlang an. Auch Pat und Sammy brauchten noch einen Augenblick, bis sie begriffen. Dann bewegten auch sie sich.
Es war gegen ein Uhr fünfundzwanzig, als Craig zusammen mit den Journalisten und dem Personal das White Star Restaurant verließ. Beim Durchqueren des Empfangssalons registrierte er nur am Rande, dass das Trugbild, das ihn vorhin genarrt hatte, verschwunden war. April war sofort wieder an seine Seite geeilt und hielt seit dem seinen Arm so fest umschlungen, dass es schmerzte. Mit raschen Schritten lief er auf die Treppe zu und wollte hinunter laufen. Da hielt April ihn zurück und rief entsetzt: „Nicht nach unten, Craig! Um Gottes Willen, nicht nach unten!“ Sie sah ihn panisch an und fügte stammelnd hinzu: „Das Wasser … da ist das Wasser!“
Wie auf ein Kommando hin sahen alle über das Geländer – und dann brach Panik aus! Sich gegenseitig schubsend und drängend, stürzten die Meisten die Treppe hoch. Craigs Stimme, der ihnen lauthals nachbrüllte, sie müssen aufs C-Deck hinunter zu den Gangways, verhallte in dem Tumult. Nur einige Wenige blieben verunsichert stehen. Eine Frau stürzte, als ihr einer ihrer Berufskollegen auf die Schleppe ihres Abendkleides trat. Sie schlug sich das Kinn blutig und versuchte hektisch wieder auf die Füße zu kommen. Da
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