Titanus
Anlagen zur Rückgewinnung des Wassers.
Nach einigen Minuten straffte sich Jansen. Die kurze Pause hatte ihn erfrischt.
Federnd erhob er sich aus dem Sessel, trat zum Schreibtisch und wählte Nasarows Nummer. Der Schirm des Bildfernsprechers leuchtete auf, es erschien ein rundes Gesicht, in das sich bereits die Spuren durchgrübelter Nächte eingegraben hatten.
Nasarow lächelte, als er Jansen erkannte.
»Nun, mein lieber Jansen, wo drückt der Schuh?«
Jansen atmete auf, als er die vertraute Anrede vergangener Monate hörte. Und Nasarow sprach deutsch, das war mehr als Höflichkeit!
»Genosse Professor, ich möchte gern mit den andern bekannt gemacht werden. Außerdem möchte ich mich für die Verspätung entschuldigen!«
»Warten Sie«, sagte Nasarow, »haben Sie guten Wodka in der Hausbar? Gut, dann komme ich zu Ihnen!«
Sie saßen sich in den Sesseln gegenüber. Der kleine Nasarow, dessen rundes Gesicht, durch eine ungewöhnlich lange Stirn verlängert wurde, als hätte man ihm eine Haube aufgesetzt – und der große Jansen, dessen breite Gestalt lässig im Polster lehnte.
Sie musterten sich, als suchten sie beide im andern den Bekannten früherer Tage.
Nasarow wurde ernst, und diesen Ernst unterstrich das Esperanto, dessen er sich bediente.
»Eine Frage, Genosse Jansen: Weshalb nehmen Sie an der Expedition teil? Sie waren doch dagegen! Was hat Sie umgestimmt?«
Jansen schwieg einen Augenblick. »Darüber möchte ich nicht sprechen«, sagte er abweisend.
Nasarow hob stumm sein Glas und fixierte Jansen mit wachen Augen.
»Eine Enttäuschung?« Er erwartete offensichtlich keine Bestätigung. »Also doch nicht überzeugt«, murmelte er bedauernd. Nachdenklich setzte er hinzu: »Lohnt es, wegen einer Enttäuschung sein Leben wegzuwerfen?«
Jansen fuhr auf. »Ich weiß, was ich tue!« sagte er scharf.
Nasarow nickte unmerklich. Eine Frau also!
»Ich bezweifle nicht, daß Sie davon überzeugt sind, Genosse Jansen. Ich möchte mich auch nicht in Ihre Angelegenheiten drängen. Aber ich möchte Sie warnen! Vor uns liegen Jahre in einer Rakete, liegt ein ungewisses Ziel, liegen möglicherweise härteste Bewährungsproben – hinter uns liegt ein Leben in vertrauter Umgebung, das uns näher stand, als man es in enttäuschter Stimmung empfindet. Dieses Leben ist vorbei, unwiderruflich vorbei, wenn wir gestartet sind. Aber Zeit heilt Wunden, sagt ein altes Sprichwort. Was bleibt Ihnen, wenn die Enttäuschung verklingt? Dann fehlt Ihnen doch der Grund, Ihr Leben wegzuwerfen. Ich bin nicht älter und auch nicht kälter als Sie, mein Lieber. Ich weiß, was Liebe ist, wenn mich auch manche für einen zwischen Büchern verstaubten und im Feuer der Wissenschaft ausgedörrten Knaben halten. Aber, Genosse Jansen, sprechen wir offen: Man handelt nicht gegen seine Überzeugung!«
»Ich bin überzeugt…«, warf Jansen ein.
»Daß wir alle zum Teufel gehen!« sagte Nasarow gelassen. »Aber wir fliegen nicht aus Lebensüberdruß, sondern wir wollen mit vollen Händen heimkehren. Das bedeutet, daß wir am Leben hängen müssen, denn nur, wenn wir es erhalten, können wir unsern Auftrag erfüllen. Lebensverachtung bedeutet eine Gefahr für die Expedition, denn wem sein Leben lästig ist, der setzt es lächelnd aufs Spiel!«
»Haben Sie Angst?« fragte Jansen.
Nasarow lächelte. »Muß man Angst haben, wenn man am Leben hängt? Fehlt nur noch, daß Sie behaupten, es wäre männlich, sein Leben wegzuwerfen und dabei zu lächeln. Zwischen uns besteht ein Unterschied, Jansen: Ich habe verzichtet, weil ich einen Auftrag erfüllen will. Den kann ich nur erfüllen, wenn ich am Leben bleibe. Dabei weiß ich, daß ich mein Leben riskiere, doch ich riskiere es für die Sache – und wenn es vor der Zeit zu Ende geht, werde ich nicht lächeln, dann bleibt nämlich vieles ungetan!«
Nasarow schwieg, als wäge er die folgenden Sätze vorher ab. Jansen spürte, daß jetzt das Wichtigste folgte, deshalb schwieg auch er.
»Wenn ich nicht am Leben hinge«, fuhr Nasarow endlich nachdrücklich fort und sah Jansen in die Augen, »es nicht schön fände, wie könnte ich dann durch meinen Einsatz das Leben der Gesellschaft verbessern? Was aber tun Sie? Sie verzichten auf das Leben, weil Sie die Gefahr suchen, der ich ausweichen möchte. Weil Sie Ihr Leben nicht achten, nehmen Sie teil, weil Sie es verschleudern wollen – nicht um der Aufgabe willen, sondern aus persönlichen Gründen.«
Jansen wich Nasarows Blick aus. Traf dieser
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