GK249 - Die Furie
Ihr Name war Teres Pool. Sie hatte flammendrotes Haar, das streng zurückgekämmt und im Nacken zu einem dicken Zopf zusammengefaßt war. Sie hatte John Morton gleich auf den ersten Blick sehr beeindruckt. Sie war groß und trug einen unförmigen blauen Seemannspullover, unter dem sich die kräftigen Schultern einer Schwimmerin abzeichneten. Morton fand sie aufregend. Das Blut rauschte bei ihrem faszinierenden Anblick in seinen Ohren. Sein Mund war völlig ausgetrocknet.
Sie hatte eine hohe, klare Stirn und eine kleine, niedliche Nase. Der Mund darunter war groß und wirkte freundlich. Sie trug kein Make-up, brauchte keines. Ihre Lippen waren blaßrosa, und auf Nase und Wangen hoben sich feine, lustige Sommersprossen ab.
Ihr inniges Lächeln ging ihm tief unter die Haut. Sie streckte ihm beide Hände entgegen und sagte: »Komm, John. Komm.«
Er nickte, und er fragte sich nicht, woher sie seinen Namen kannte.
Aus den Lautsprechern der überfüllten Diskothek hämmerten heiße Beatrhythmen. Es roch nach Whisky, Rauch und Schweiß.
SHATTANOOGA DANCING nannte sich der Schuppen im Herzen von Chicago. John Morton war hier Stammgast. Viermal wöchentlich gab er sich die Ehre. Manchmal auch öfter, das kam darauf an, wie gut er bei Kasse war.
John war einundzwanzig. Ein gestandener junger Mann. Arbeitsam und immer fröhlich. Er liebte das Leben auch dann, wenn es ihm mal einen schmerzhaften Tiefschlag verpaßte - was zum Glück nicht allzuoft vorkam - , und er war ganz verrückt nach hübschen Mädchen. Da er schwarzhaarig war und gut aussah, kam er in dieser Beziehung im CHATTANOOGA ziemlich reichlich auf seine Kosten.
Doch alles, was er bisher an Land gezogen hatte, war nichts gegen dieses wunderschöne Mädchen, das er erst vor einer halben Stunde kennengelernt hatte.
»Komm«, sagte Teres Pool noch einmal. »Laß uns gehen.«
John Morton lächelte. »Okay. Und wohin?«
»Irgendwohin. Mir ist es hier zu laut.«
»Es ist nicht lauter als in jeder anderen Diskothek.«
»Ich sehne mich nach Stille. Ich möchte mit dir allein sein.«
Morton überlief es kalt. Diesmal war nicht er derjenige, der dafür sorgen mußte, daß alles seinen gewünschten Gang nahm, sondern dieses Mädchen machte das von sich aus. Ihm konnte das nur recht sein. Sie zog ihn mit sich. Er erwähnte ganz nebenbei, aber doch mit dem richtigen Hintergedanken, daß er unweit von hier eine kleine, stille Junggesellenbude besitze. Er brauchte ihr nicht von seiner Briefmarkensammlung und auch nicht von seinen tollen Schallplatten vorzuschwärmen, denn sie nickte sofort zum Zeichen ihres Einverständnisses, als er von seiner Wohnung sprach.
Die beiden verließen die Diskothek.
John Morton nahm das Mädchen in den Arm und dirigierte es in die Richtung, in der er wohnte.
»Du warst noch nie im Chattanooga«, stellte er fest.
»Nein. Noch nie. Ich war heute zum erstenmal da«, sagte Teres Pool.
»Es hat dir nicht gefallen?«
»Doch.«
»Wenn du nach einer halben Stunde schon gehen willst…«
»Mir steht heute der Sinn nach anderen Dingen - nicht nach Tanzen.«
John grinste. »Ach so ist das. Nun, ich werde bestrebt sein, Sie voll zufriedenzustellen, Ma’am.«
Teres nickte. »Davon bin ich überzeugt.«
»Möchtest du mir von dir erzählen?«
»Da gibt es nicht viel, was dich interessieren dürfte. Ich bin neunzehn, Vollwaise, habe einen Job bei einer großen Chicagoer Werbeagentur, wohne in Evanston und mag Jungs wie dich.«
John Morton lachte amüsiert. »Das freut mich. Wie heißt du?«
»Teres.«
»Und wie noch?«
»Pool.«
»Teres Pool. Ich bin John Morton.«
»Ich weiß.«
»Von wem?« fragte John.
»Ich hab’s sofort gewußt, als ich dich sah.«
Der junge Mann lachte belustigt. »Sag bloß, du kannst hellsehen.«
»Vielleicht.«
»Was war mit mir vor einem Jahr?« fragte John.
»Da hattest du einen schweren Autounfall.«
Morton blickte das Mädchen verwundert an. Dann schüttelte er den Kopf. »So etwas kann man jederzeit erfahren. Ich bin im Chattanooga bekannt wie ein bunter Hund. Jeder weiß von meinem Autounfall.«
»Aber niemand weiß, daß es kein Unfall war«, sagte Teres ernst.
John Morton war plötzlich wie vom Donner gerührt. Er blieb stehen und musterte das Mädchen nervös. »Was willst du damit sagen?«
»Es hat zwar ausgesehen wie ein Unfall, war jedoch ein Selbstmordversuch.«
Morton blieb die Spucke weg. Verdammt, er hatte mit niemanden darüber gesprochen. Woher wußte Teres davon? Vermutete sie
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