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Tochter der Nacht

Tochter der Nacht

Titel: Tochter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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nichts sehen, denn durch ihre Falten drang nur Dunkelheit.
    Man hatte ihm die Hände auf den Rücken mit einer weichen Schnur gebunden, doch Tamino fürchtete sich nicht.
    Als die beiden Priester ihn aus der Halle führten und Sarastro davon sprach, daß man ihn auf die Probe stellen solle, hatte er etwas Angst gehabt. Der Priester-König wirkte freundlich und schien liebenswürdig. Doch Tamino wußte nicht, was ihn erwartete. Alles konnte Teil der Prüfungen sein. Beunru-higend war, daß Paminas Vater Monostatos so unnachgiebig bestraft hatte, und trotz seiner Vorurteile Sarastro gegenüber mußte er sich eingestehen, daß der Priester-König recht gehandelt hatte. Pamina vertraute ihm, und Tamino war bereit, sein Urteil über Sarastro zurückzustellen. Auch mußte Pamina nicht unbedingt sofort befreit werden, weshalb er sich ruhig den Prüfungen unterziehen konnte, die schließlich der Anlaß seines Kommens waren. Vielleicht würde er eines Tages die ganze Wahrheit erfahren, vielleicht sogar die ganze Wahrheit über die Königin der Nacht. Die Zeit würde kommen…
    Sarastro hatte angeordnet, daß man ihn auf die Prüfungen vorbereite; zuerst brachten sie ihn in ein Gebäude, in dem, wie man Tamino erklärte, die jungen Priester lebten, und nahmen ihm seine Kleider ab – die kostbaren Gewänder, die ihm die Königin der Nacht gegeben hatte, waren im Kampf mit Monostatos’ Männern zerrissen und durchlöchert worden. Man hieß ihn, sich in einem Teich mit kühlem Wasser zu waschen, und gab ihm ein schlichtes weißes Gewand, wie es die jungen Priester trugen.
    Dann brachte man ihm eine Mahlzeit – Fladenbrote, Butter und einen Topf mit Honig, gekochte Eier, Früchte und einen Krug mit kalter Milch. Von allem gab es reichlich, und es schmeckte gut. Als ein alter Priester abräumte, nahm er auch die Flöte mit. Tamino wollte Einspruch erheben, doch der Mann lächelte ihn freundlich an.
    »Hier braucht Ihr sie nicht«, sagte er, »zwar habt Ihr sie von jemandem erhalten, der kein Recht hatte, sie in Eure Hände zu geben, aber ich kann Euch versichern, daß Ihr sie zurück-erhalten werdet, wenn die Zeit gekommen ist und Ihr bewiesen habt, daß Ihr würdig seid, sie zu spielen. Wartet hier, Prinz Tamino«, fügte er hinzu, »meditiert, bis der Mond aufgeht, dann wird man Euch holen.«
    Der Priester ging, und Tamino versuchte zu meditieren.
    Doch immer wieder blickte er in Paminas Augen, und die Erinnerung, wie sie ihm bangend folgten, als man ihn wegführte, drängte sich auf… Schließlich schlief Tamino ein und erwachte erst, als es in seiner Zelle dunkel war. Beim Mondaufgang waren zwei Priester gekommen, die ihm schweigend eine Binde um die Augen legten und seine Hände fesselten. Er sah noch, daß einer der beiden jener al-te Priester war, der ihn im Tempel der Weisheit begrüßt hatte…
    ∗ ∗ ∗
    Nun stand er in völliger Dunkelheit und hörte überall um sich leise Geräusche: das Rascheln von Gewändern, das ge-dämpfte Geräusch von Füßen, das Husten eines Mannes.
    Hände zogen ihn vorwärts und drückten ihn auf die Knie.
    Dann sah er durch die Augenbinde einen schwachen Licht-schimmer und hörte Sarastros Stimme, tief und mächtig klin-gend.
    ∗ ∗ ∗
    »Tamino«, sagte Sarastro, »ist es noch immer Euer Wunsch, Euch den Prüfungen zu unterziehen, um Erleuchtung und Weisheit zu erlangen?«
    »Zu diesem Zweck bin ich hierhergekommen«, erwiderte Tamino, »und bin immer noch dazu entschlossen.«
    »Ich weiß«, sagte Sarastro, »Ihr besitzt Mut, den Weisheit bisher noch nicht zügelte, und frage Euch, Prinz Tamino, vermögt Ihr Vorurteile beiseite zu schieben und alle Dinge genau zu prüfen, ehe Ihr urteilt?«
    »Ich will es versuchen«, erwiderte Tamino.
    Sarastro sprach in die Dunkelheit: »Brüder, jeder von euch hat das Recht, ihn nach seinem Gutdünken zu befragen.
    Wenn jemand seine Eignung für die Prüfungen unter Beweis stellen oder erproben will, dann spreche er jetzt oder er bewahre auf immer Schweigen.«
    Eine Stimme fragte: »Prinz Tamino, Ihr seid der Sohn eines Kaisers. Sagt mir, was bedeutet es für Euch, ein Prinz zu sein?«
    Tamino antwortete, was sein Vater ihm gesagt hatte, als er einmal diese Frage stellte.
    »Mir wurde mehr gegeben«, erwiderte er, »und deshalb wird auch mehr von mir verlangt. Ich muß jedem der Untertanen meines Vaters ein Beispiel dafür sein, wie man leben soll, und ich darf von niemandem etwas verlangen, was ich nicht selbst zu tun bereit bin.«
    Eine

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