Tochter der Nacht
Kuß. Die langersehnte Wonne ließ sie für einen kurzen Augenblick vergessen, wo sie sich befanden, weshalb sie hier waren und was ihnen beiden drohte.
Und als sie sich schließlich lösten, um Atem zu schöpfen, sagte Tamino fast flüsternd: »Ich weiß nicht, Pamina, ob dies nicht die schwierigste Probe und die größte Versuchung meiner Standhaftigkeit ist…«
»Dann wäre es auch für mich eine Prüfung, Tamino«, sagte sie und sah zu ihm auf, »solches war uns nur bei der Prüfung der Erde verboten. Ich habe gehört… ich weiß darüber nicht sehr viel, denn man hat mich von solchem ferngehalten…
aber ich habe gehört, daß man die Liebe mit dem Feuer ver-gleicht. Vielleicht sollen wir beweisen, daß wir mutig genug sind, dieses Feuer zu erdulden.«
∗ ∗ ∗
Für Tamino war es eine schier unglaubliche Versuchung, Pamina wieder in die Arme zu schließen und die Prüfung zu vergessen, alles zu vergessen außer ihrem schlanken, ge-schmeidigen Körper, der sich an ihn preßte. Doch er widersprach.
»Ich kann nicht glauben, daß dies zu den Prüfungen gehören sollte, Pamina.« Er spürte, wie tief in seinem Innern zärtliches Lachen aufstieg. »Man hat uns gesagt, es würde so gefährlich sein, daß wir am Ende meinten, ins Feuer geworfen zu werden, wäre leichter gewesen. Gefahr… hier…
von dir, Geliebte? Ich kann es nicht glauben.«
»Oh, doch, es droht Gefahr«, flüsterte Pamina, warf den Kopf zurück und zog Tamino hinunter, um ihn wieder zu küssen, »ich möchte in deinem Feuer verbrennen.«
»Und ich in deinem«, murmelte er und drückte den Mund auf ihr kleines, zartes Ohr, »und doch… vergiß nicht, dass die Priester uns mitten auf dem Meer und in den Felsen und in der Luft beobachtet und jedes unserer Worte gehört haben. Sie werden uns auch jetzt sehen.«
»Sollen sie zusehen und uns beneiden«, erwiderte Pamina und preßte ihn an sich, »ich schäme mich nicht. Du vielleicht?«
Schämte er sich? Tamino überlegte. In seinem Land war es nicht Sitte, im Freien beieinanderzuliegen und schon gar nicht vor fremden Augen, und er wollte schon sagen: Ich kä-
me mir wie einer der Hunde-Halblinge vor, unterließ es aber.
Pamina hatte jetzt ihre Scheu überwunden und war bereit, in seinen Armen zu liegen. Sollte er ihr höchstes Glück in diesem Augenblick der Gemeinsamkeit zerstören?
Mit zitternden Fingern begann Tamino, den Gürtel ihres Gewandes zu lösen. (Papageno hatte auf die anderen Prüfungen verzichtet und diesen Augenblick mit seiner Papagena bestimmt schon lange genossen.) Doch er und Pamina hatten ihn sich versagt. Warum? Und wie lange noch? Lächelnd folgte Pamina seinem Beispiel und löste geschickt das farbige Band an seiner Hüfte.
Plötzlich keuchte und hustete Tamino. Aus dem Nichts hatte sich ein Wirbelwind erhoben, jagte durch den schützenden Busch und blies ihm stechenden Sand in Mund und Augen.
Pamina hielt die Hand vor den Mund und wandte schnell das Gesicht ab, um sich vor dem Wirbelwind zu schützen.
Tamino schmeckte den Staub, spürte, wie er in den Augen brannte, rang nach Luft und versuchte vergeblich, den Sand in seinem Mund auszuspucken. Die schützenden Blätter des grünen Buschs wurden erbarmungslos abgerissen und davongewirbelt. Schließlich blieb nur noch eine kleine Dornenpflanze zurück, die ihnen nicht einmal bis ans Knie reichte.
Ich habe es vergessen. Wir sind im Land der Wandlungen, dachte Pamina, kauerte noch immer neben Tamino und begann, sich den stechenden Sand aus den Augen zu reiben; mit dem Ärmel wischte sie sich den Staub vom Gesicht und sagte: »Siehst du, der Busch hat sich in eine winzige Pflanze verwandelt, um sich vor dem Wind zu schützen. Ist es überhaupt einmal ein großer Busch gewesen?«
»Ich weiß nicht, aber ich wünschte, er wäre wieder da«, erwiderte Tamino, dann fiel ihm die Flöte ein, die ihm immer noch an der Hüfte hing.
»Sie ist ein Instrument der Luft. Sie hat schon einmal geholfen«, sagte er und setzte sich mit dem Rücken zum Wind, damit er das Mundstück zwischen die Lippen nehmen konnte, ohne auf Sand zu beißen.
Woher kam dieser Sandsturm? Tamino – er konnte nicht einmal die Sonne sehen – begann zu spielen und versuchte, Atem zu holen, wenn es die erstickenden Sandböen zulie-
ßen. Er spürte, wie Pamina sich an ihn klammerte, doch konnte er den Arm nicht um sie legen, weil er die Flöte mit beiden Händen hielt. Dichte Sandwolken hüllten sie ein…
Tamino spielte und spielte. Nach und
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