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Tochter der Nacht

Tochter der Nacht

Titel: Tochter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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würden die Glöckchen wie Taminos Flöte Hilfe läuten? Schnell glitten seine Finger über die Schellen.
    Pamina hörte ein lustiges, fröhliches Läuten und fragte sich, was Papageno in den Sinn gekommen sei, in einer solchen Lage Musik zu machen. Doch schon nach den ersten Tönen ließ Monostatos sie los, wandte den Kopf ab und begann, während Pamina ihn verblüfft betrachtete, zu tanzen. Er sah sie nicht mehr, er sah nichts mehr, sein Oberkörper schwankte hin und her, Monostatos beschrieb mit merkwürdig gleitenden Bewegungen einen Kreis. Die Hunde-Halblinge sprangen zum Klang der Glöckchen um ihn herum. Papageno blinzelte und bewegte sich ebenfalls leicht im Takt der Musik und hörte nicht auf zu spielen.
    Pamina hatte von alten Zaubern gehört, mit denen man Halblinge willenlos machen konnte, doch gesehen hatte sie so etwas noch nie. Unglaublich war, daß auch Monostatos, den sie als Halbling beschimpft hatte, diesem Bann unter-worfen war. Papageno spielte immer weiter, und Pamina mußte mit aller Kraft an sich halten, um sich nicht selbst im Kreis zu drehen!
    Schließlich tanzten die Halblinge einer hinter dem anderen unbeholfen davon.
    Papageno ließ die Glöckchen erklingen, bis sie außer Sicht waren, und hörte dann auf. Pamina wollte tausend Fragen stellen. Wo und wie war Papageno zu dem Glockenspiel gekommen? Was hatte Monostatos und die anderen Halblinge dazu gebracht zu tanzen? Weshalb konnte der Zauber Papageno nichts anhaben? Doch im Augenblick war keine dieser Fragen wichtig. Wichtig war nur das eine: Sie mußten fliehen!
    Dann hörte sie einen Ton, der Pamina vor Angst erstarren ließ. Die königlichen Fanfaren erklangen zum Beginn der Prozession! Sarastro und seine Priester würden auf diesem Weg zu den Sonnenaufgangszeremonien schreiten! Pamina blieb wie angewurzelt stehen. Es war zu spät, um davonzulaufen. Im Licht der aufgehenden Sonne sah sie das Glitzern der Ornate und Gewänder.
    Man hatte sie bereits entdeckt.
    Papageno wickelte das Glockenspiel in die Hülle, band es wieder an seine Hüfte und blickte auf. Er sah das Entsetzen in Paminas Augen.
    »Was gibt es, Prinzessin?«
    »Dort kommt Sarastro mit den Priestern«, flüsterte sie und nahm all ihren Mut zusammen. Papageno stand am ganzen Leib zitternd neben ihr, und die Federn auf seinem Kopf sträubten sich voller Furcht.
    »Sarastro«, stöhnte er, »o je, was wird er mit uns tun? Was sollen wir ihm sagen?«
    Pamina fürchtete sich fast ebensosehr wie der Vogel-Mann, aber sie erwiderte entschlossen: »Wir werden ihm die Wahrheit sagen.« Aufrecht erwartete Pamina die Priester.
    Der vorderste hatte sie beinahe erreicht, als Sarastro, der inmitten seiner Vertrauten einherschritt, Pamina entdeckte und sie überrascht und mißbilligend ansah.
    Natürlich ist er ungehalten, dachte sie, ich habe versucht zu fliehen. Aber ich möchte jetzt wissen, ob Monostatos in seinem Sinn gehandelt hat.
    Sarastro trat auf Pamina zu und bedeutete den Priestern, an ihrem Platz zu bleiben.
    »Pamina«, fragte er nicht unfreundlich, »was tust du hier zu dieser Stunde? Ich kann mir nicht denken, daß du an den Morgenriten teilnehmen möchtest. Vielleicht hast du…«
    Unvermittelt brach Sarastro ab, denn hinter ihm erhob sich ein heftiger Tumult. Von Hunde-Halblingen umgeben, schleppte Monostatos einen Gefangenen herbei, einen jungen Mann, den Pamina noch nie gesehen hatte. Ein kurzer Blick auf Papageno, und sie wußte, daß es Prinz Tamino war –
    prächtig gekleidet und von der heftigen Gegenwehr etwas mitgenommen. Tamino war schön; er hatte ein edles Gesicht und bekümmerte Augen. Der Prinz war gekommen, um sie zu befreien – und nun war ihm das widerfahren. »Laßt ihn los!« befahl Pamina so gebieterisch, daß die Halblinge, die ihn festhielten, von ihm abließen, ehe sie wußten, wie ihnen geschah. Schnell trat sie auf den Gefangenen zu und streckte ihm die Hände entgegen.
    »Ihr seid Prinz Tamino«, sagte Pamina leise und sah ihm in die Augen.
    Er ergriff ihre Hände, zog sie an sich und erwiderte ihren Blick, als seien beide allein auf der Welt. Einen Blick lang sah sich Pamina in seinen Augen.
    Dann packte Monostatos zu, riß sie heftig auseinander, und Pamina blickte in die gütigen blauen Augen des Priesterkö-
    nigs Sarastro.
    Ein anderer Priester hatte das morgendliche Ritual übernommen. Pamina saß neben Sarastro auf einem Diwan; mit einer Handbewegung forderte er sie auf, sich von dem Obst, dem Wein und den Kuchen aus getrockneten

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