Tochter des Drachen
nichts als eine seltsame, unangenehme Taubheit. Dann sickerte Hitze durch meine Adern, aber - sehr seltsam das - meine Finger und Hände und meine Lippen waren immer noch eiskalt vor Schreck. Ich ... stand einfach nur da, bis André in mein Ohr flüsterte: »Gehen Sie zu ihm, Katana.«
Stattdessen drehte ich mich zu André um, und er las in meinem Gesicht. »Wenn Sie wollen, dürfen Sie ruhig wütend auf mich sein, Katana. Aber was auch immer sonst Ihr Vater war oder getan hat, er war ein Agent des Ordens der 5 Säulen und ein edler, mutiger Mann. Ich gehöre zum 05S, und so viel steht fest: Wir vergessen die unseren nicht. Wir haben immer ein Auge auf Sie gehabt. Selbst in Ihrer dunkelsten Stunde waren wir immer da.«
Immer da ... Das habe ich zu diesem Zeitpunkt nicht verstanden. Aber jetzt verstehe ich es. Der Koordinator hat mich immer im Auge gehabt, immer. Ich war nie weit außerhalb seines Zugriffs, denn er arbeitete durch die Wahrerin und durch die Agenten der Wahrerin, durch André und zahllose andere. Ich war nie weit entfernt.
Also tat ich, was André sagte. Ich ging zu meinem Vater. Ich verbeugte mich mit der Ehrfurcht und dem Respekt, die das Alter verdient. Und ich sagte: »Ich bedaure meine Überzeugungen nicht, Vater. Ich habe damals meine Wahl getroffen, so wie du deine getroffen hast. Ich weiß nicht, wie ich über meine Wahl denken werde, wenn ich alt bin. Aber ich denke, deine war falsch.«
Nicht gerade das, was man eine töchterliche Annäherung nennen könnte. Möglicherweise war das die einzige Nähe zu ihm, die ich zulassen konnte. Aber mein Vater biss nicht an. »Kann sein«, erwiderte er. »Aber wen schert es? Meine Zeit ist vorbei. Du bist die Zukunft. Also komm. Setz dich und erzähl mir von deinem Leben.«
Und das tat ich. Ich redete über ... nun ja, über alles. Er hörte zu. Ich weiß nicht, wann André gegangen ist, aber als wir aufstanden, um zum ersten Mal seit langen Jahren gemeinsam zu essen, war er fort. Der Alte Meister blieb, und er ist immer noch hier, steht vor meinem Zimmer, obwohl es schon spät ist, der Mond hoch am Himmel steht und die Grillen musizieren. Irgendwo fließt der Strom vorbei, ein unveränderliches Band aus Silber, das ewig ist, ebenso wie die Zeit und die Erinnerung.
Morgen oder übermorgen werde ich wieder aufbrechen müssen, denn die Arbeit eines Kriegsherrn ist nie getan, und ich habe einen Feldzug vorzubereiten. Irgendwo dort draußen warten meine Feinde: Männer wie Bhatia, die mich scheitern sehen und den Namen Tormark ausgelöscht sehen wollen aus den Annalen, und wahrscheinlich lauert auch irgendwo ein neuer Sakamoto auf seine Chance. Doch auch meine Leute sind dort draußen, die Brüder und Schwestern in Des Drachen Zorn und die große Familie des Kombinats, die ich noch kennenlernen muss. Da sind die Geister, um die ich trauern werde: meine Mutter, meine gefallenen Kameraden, die unschuldigen Opfer Sakamotos. Und Toni: wie ich mir wünsche, du hättest das erleben können.
Vielleicht suche ich morgen einen Shintopriester und beweise den Kami meine Dankbarkeit mit einem Opfer. Ja, vielleicht morgen.
Aber erst einmal bin ich zufrieden. Erst einmal bin ich zu Hause.
Imperial City, Luthien Militärdistrikt Pesht, Draconis-Kombinat
30. Januar 3136
Er hatte einen Wutanfall, warf wie ein Dreijähriger mit Essen um sich. Miko tat ihr Bestes, aber schließlich schickte Bhatia sie fort. Er war wirklich nicht in Stimmung. Es war bitter. Schon schlimm genug, gegen eine Tormark zu unterliegen, aber nicht einmal als Mann mehr funktionieren zu können ...
Katana Tormark, eine Tai-shu! Unfassbar. Sie musste mit Theodore ins Bett gestiegen sein. Dem Koordinator würde das sicher in den Kram passen. Theodore muss einen Erben produzieren. Was kümmert es den Pfau, wo sein Sohn seinen Samen pflanzt, solange er die Linie fortsetzt? Wütend schleuderte Bhatia den jüngsten Erlass der kleinen
Hure in die Ecke: diese verdammt loyalen Yakuza zu den ehrenwertesten Bürgern des Kombinats zu rechnen, sie in den VSDK zu befördern!
Bhatia tigerte auf und ab. Vielleicht war es besser, sich darauf zu konzentrieren, was er gewonnen hatte. Sakamoto war tot, ein großes Plus, denn es war unmöglich, ihn mit einer direkten Unterstützung des Feldzugs dieses Idioten in Verbindung zu bringen. Und Wahab Fusilli. Ja, er war wieder zurück in Ka-tanas Lager, war sogar für seine Tapferkeit auf Al Na'ir ausgezeichnet worden ... Ha! Trotz allem musste Bhatia grinsen. Zwei
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