Tochter des Glueck
entfernt sein, denn sie dürfen nicht nach Shanghai, und ich darf nicht in die Kommune. Tante Hu war eine der wenigen Verbindungen zu meiner Vergangenheit, und nun ist sie nicht mehr da.
»Pearl.« Ich blicke auf und sehe Besorgnis in Duns Augen. Ich könnte weinen bei seinem Gesichtsausdruck. »Wir wissen nicht, was im Leben passiert. Deshalb ist es wichtig für uns, dass wir uns vorwärtsbewegen, leben, Blumen kaufen …«
»Was redest du?«
»Sieh dir Tante Hu an. Sie hat alle Menschen verloren, die ihr wichtig waren, aber sie hat gehandelt. Wo auch immer sie ist, sie versucht, ein besseres Leben zu finden.« Er hält inne, damit ich darüber nachdenken kann. Dann rutscht er von seinem Hocker auf ein Knie. Der Betreiber des Teehauses kommt besorgt zu unserem Tisch, doch Dun winkt ihn weg. »Wir sind nicht mehr sehr jung, du und ich, und es wird nicht immer alles leicht sein, aber würdest du mir die Ehre erweisen, mich zu heiraten?«
Die Tränen, gegen die ich angekämpft habe, kommen nun doch, aber die Tropfen, die mir über die Wangen laufen, enthalten keine Traurigkeit, sondern große Freude.
»Sehr gerne«, sage ich.
Dun bezahlt unseren Tee, dann sind wir wieder auf der Straße. Wir sind zu glücklich, um direkt nach Hause zu gehen, wo wir nicht für uns sein können. Der beste Weg, um allein zu sein, ist genau hier, zwischen Hunderten von Menschen an der Huaihai-Straße. Wir sind noch nicht weit gegangen, als direkt vor uns eine Limousine anhält. Die Tür öffnet sich, und Z. G. steigt aus.
»Ich habe euch gerade gesehen und musste euch begrüßen.«
Dun legt mir die Hand ins Kreuz – eine Geste der Beruhigung oder der Besitznahme? Z. G. lächelt uns amüsiert an.
»Ich bin auf dem Weg zu einem Dinner«, fährt er fort. »Sie zeigen auch einen Film. Wollt ihr nicht mitkommen? Genau solche Leute wie euch wollen sie dabeihaben, wahrscheinlich eher als mich.«
»Wir haben schon gegessen«, sage ich, auch wenn es nur wenig war.
»Und wir sind auf dem Heimweg«, fügt Dun hinzu.
»Kommt gar nicht in Frage.« Z. G. tritt zwischen uns, hängt sich bei uns ein – genau wie er es vor Jahren mit May und mir gemacht hat, wenn wir zusammen durch die Straßen gingen – und führt uns zur Limousine. »Los, kommt. Steigt ein.«
Z. G. hatte schon immer die Fähigkeit, andere mitzureißen, und bald fahren wir im Eiltempo durch die Straßen, während der Fahrer Fußgänger und Fahrradfahrer anhupt.
»Wo fahren wir hin? Was ist der Anlass?«, frage ich.
»Eine Delegation aus Hongkong ist hier«, erwidert Z. G. »Wir sollen ihnen zeigen, dass es China gut geht, dass niemand Hunger leidet und sie mehr Geschäfte mit uns machen sollen.«
»Eine Delegation aus Hongkong?«, fragt Dun verblüfft. »Das ist doch eine britische Kolonie.«
»Ich weiß«, entgegnet Z. G. resigniert. »Es wird eine dieser Veranstaltungen, die im Neuen China so paradox sind. Einerseits gilt England als ultraimperialistisches Land, denn es war die erste fremde Macht, die nach China eingedrungen ist, und es hält Hongkong immer noch besetzt. Andererseits ist England eines der wenigen Länder, die die Volksrepublik China anerkennen … obwohl es immer noch gemeinsam mit den Vereinigten Staaten – dem ultraimperialistischsten aller Länder – Chinas Mitgliedschaft bei den Vereinten Nationen verhindern will. Wir müssen tun, was wir können, um die wenigen Kapitalisten, die wir haben, für uns zu gewinnen. So, wir sind da.«
Das Auto hält auf der Anlage des Garden Hotel, des früheren French Club. Die hell erleuchtete Fassade und der ummauerte Garten bringen Erinnerungen an Partys zurück, die ich hier mit meiner Schwester besucht habe. Es ist ein komisches Gefühl, die Stufen hinaufzugehen und das Foyer mit den Kristalllüstern, der mächtigen Treppe und den Marmorwänden und -böden zu betreten. Die ehemalige Pracht des Art déco wirkt heruntergekommen und muffig, aber junge Männer und Frauen in alten Hoteluniformen nehmen uns die Jacken ab, führen uns durch das Foyer und dann nach oben in einen der Festsäle. Die Leute dort teilen sich in drei Gruppen auf: Einige tragen die üblichen grauen Anzüge der Elite des kommunistischen China, andere haben bunte cheongsams aus Hongkong an, und manche – so wie Dun und ich – tragen zwanzig Jahre alte Kleidung im westlichen Stil.
Dun und ich nehmen zwei Gläser französischen Champagner entgegen. Während Z. G. sich im Raum nach wichtigen Leuten umschaut, stoßen Dun und ich leise an. Er
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