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Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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vorbei.« Sie sprang elastisch auf. Noch nie hatte sie lange still sitzen können. »Du erlaubst, dass ich mir eine Zigarette genehmige?«
    Ich nickte matt. Sie zündete sich eine an, setzte sich wieder und inhalierte mit Genuss.
    Â»Und jetzt hör zu: Ich will keinen Hypochonder als Sohn. Und wenn du mit der Introspektion fertig bist und endlich wieder die Unterhose wechselst, wirst du sehen, wie viele gut aussehende, gescheite, liebesbedürftige Frauen auf dich warten. Sex ist für keinen verlassenen Mann ein Problem. Glaube mir, das dämpft den Schmerz über die eine, die dich sitzen gelassen hat, erheblich. Und dann kannst du dich rächen. Eine Frau, die du zappeln lässt, hängt später um so fester an der Angelschnur.«
    Ich traute meinen Ohren nicht.
    Â»Und das sagt mir meine Mutter?«
    Â»Muss es denn gleich wieder Liebe sein?«
    Ich war einigermaßen schockiert.
    Â»Und was soll ich deiner Meinung nach tun? Mich bei einer Online-Partnerbörse anmelden?«
    Â»Heutzutage scheint das ja üblich zu sein. Ich weiß nicht, ob das etwas bringt. Aber versuchen könntest du es ja mal …«
    Sie rührte ihren Tee um, wobei sie die Zigarette im Mundwinkel
hielt. Der Rauch zog an mir vorbei, weckte Assoziationen an meinen Vater. Ich grübelte weiter an mir herum.
    Â»Ich habe es mir nicht ausgesucht, dass ich so bin. Dass ich kein Erfolgsmensch sein kann, will ich sagen. Wer weiß, woher ich das habe?«
    Sie verstand sofort, was ich meinte.
    Â»Von Tobias, von wem denn sonst?«
    Â»Es ist einfach hoffnungslos.«
    Â»Soll ich dir mal was sagen? Als Punk hast du mir besser gefallen. No future , mit grünem Hahnenkamm, das hatte zumindest Stil. Wenn ich dich auch nicht ganz verstand.«
    Â»Wie sähe das heute aus?«
    Â»Entsetzlich. Du hast nicht mehr genug Haar, tut mir leid.«
    Schlimmer konnte es nicht werden. Mir blieb noch ein Schluck Wein. Ich trank ihn aus, und prompt juckte es mir im Nacken, als ob ich gleich sechs Flohstiche gehabt hätte, alle auf einmal und drei auf jeder Seite. Ich unterdrückte das heftige Bedürfnis, mich zu kratzen, und fragte grimmig:
    Â»Was würdest du an meiner Stelle tun?«
    Â»Eine Dusche nehmen. Dir neue Wäsche kaufen. Charmant zu Frauen sein und gut im Bett. Das kann ich dir ja wohl noch zutrauen, oder? Und wenn der Brief vom Anwalt kommt, dir sagen, dass alles zwischen euch zu Ende ist. Aber dass es noch lange nicht das Ende der Welt ist. Finanziell wirst du die Sache schon verkraften. Nur vier Jahre Ehe, keine Kinder  – so dramatisch kann es nicht sein. Du wirst dich schon erholen von der Schmach. Wann hast du Urlaub?«
    Â»Mir steht noch eine Woche zu. Im September.«
    Â»Dann buche ein Hotel, irgendwo. Gehe ins Konzert oder ins Bordell. Du kannst dich auch besaufen, wenn dir danach ist. Hör auf, immer so entsetzlich vernünftig zu sein! Du musst wieder Lust empfinden.«
    Â»Lust auf was?«

    Â»Meinetwegen auf Fesselspiele. Oder auf ein Drei-Sterne-Menü. Ich kann dir nicht täglich ›Himmel und Erde‹ vorsetzen. Sei geduldig. Warte auf bessere Zeiten. Man weiß ja doch nie, was auf Reisen alles passieren kann.«
    Â»Was redest du mir nicht alles ein?«, sagte ich. »Ich werde mich überall langweilen, das weiß ich. Auch im Bordell.«
    Â»Hör mal«, sagte sie, »wenn du so weit kommst, dass du dich in der eigenen Scheiße wohlfühlst …«
    Â»Ich brauche Zeit. Du musst mehr Nachsicht mit mir haben.«
    Â»Nachsicht liegt nicht in meiner Natur.«
    Sie hatte mich mundtot geschlagen, ich gab es auf. Ich tastete nach der grünen Tasse, schlürfte den Kräutertee und verbrannte mir die Zunge.
    Â»Zu heiß?«, fragte sie harmlos. »Dann lass ihn noch etwas stehen.«
    Als ich mich auf den Weg nach Hause machte, wo mich nichts als deprimierende Stille erwartete, dachte ich, dass es nie wieder gut werden konnte. Immerhin war die Finsternis nicht mehr so dicht. Der Regen hatte nachgelassen, da und dort zeigten sich sogar einige Sterne. Ich war mit nichts von dem, was Amalia gesagt hatte, einverstanden, aber ihr Mutterhormon und mein Testosteron pulsierten mehr oder weniger auf einer einheitlichen Frequenz. (Waren wir alle nur Primaten?) Dass ich am Ende in Japan landen würde, konnte allerdings weder das eine noch das andere Hormon voraussehen.

2. Kapitel
    A malia hatte recht, es ging nicht

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