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Tod an der Ruhr

Tod an der Ruhr

Titel: Tod an der Ruhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Kersken
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vor dem Fenster stehen und sah wortlos hinaus in den verregneten Septembertag. Erst nach einer ganzen Weile nahm er seine Wanderung durch das Bureau wieder auf und setzte seine Rede fort.
    »Also, in Essen sind im Juli die ersten Krankheitsfälle aufgetreten, und binnen kürzester Zeit kam es dort zu einer regelrechten Explosion der Cholera, die natürlich durch die Verhältnisse in den Wohnvierteln der Arbeiter begünstigt worden ist. Die Essener kommen mit dem Bau von Arbeiterwohnungen einfach nicht nach. Da hat kaum jemand ein Bett für sich alleine, und dass sich zwanzig oder mehr Personen einen Abort teilen, das ist keine Seltenheit. Wie es da um die Hygiene steht, das können Sie sich leicht vorstellen.«
    »Der Fortschritt fordert seinen Preis«, murmelte Grottkamp.
    »Von Essen aus hat sich die Seuche allmählich entlang der Ruhr verbreitet«, fuhr Overberg fort. »In Dortmund geht man von sechshundert Toten aus, in Bochum sollen es schon fast siebenhundert sein, in Duisburg ist die Rede von etwa fünfhundert.«
    »Ja, es ist furchtbar«, seufzte Martin Grottkamp, der die schrecklichen Zahlen bereits aus der Zeitung kannte.
    »Natürlich ist es furchtbar! Aber wir sollten froh sein, dass die Cholera eineinhalb Monate gebraucht hat, um von der Ruhr bis an die Emscher zu gelangen. Uns hat zuerst die Angst erreicht und dann die Seuche. Seit Wochen laufen die Menschen zum Heildiener, sobald es in ihrem Darm nur ein wenig zwickt.«
    Grottkamp nickte zustimmend. »Deshalb haben wir die Kranken frühzeitig isolieren können.«
    »Ganz genau! Die Furcht ist in diesem Fall unser Verbündeter. Es ist gut, dass die Menschen wissen, was in den Nachbarstädten los ist. Wenn wir ihnen jetzt sagen, wie sie sich verhalten müssen, dann werden sie uns aufmerksam zuhören.«
    »Mit Sicherheit werden sie das, Herr Vorsteher.«
    »Sehen Sie Grottkamp, und dafür brauche ich Sie. Ich möchte, dass Sie heute noch mal die Angehörigen aller Erkrankten aufsuchen und auch ihre Nachbarn. Nehmen Sie die hygienischen Verhältnisse in den Häusern in Augenschein! Die Menschen sollen auf Reinlichkeit achten! Räume, in denen sich ein Cholerakranker aufgehalten hat und Gegenstände, die von ihm benutzt worden sind, müssen penibel gesäubert werden. Von einem Kranken getragene Wäsche muss ausgekocht werden, ebenso sein Bettzeug. Was mit Kot verunreinigt ist, sollte am besten verbrannt werden. Reden Sie noch mal mit den Leuten über die Gefahr, die von einem verschmutzten Abort ausgeht! Von Möllenbeck wissen sie vermutlich schon, dass sie keinesfalls ohne vorherige Desinfektion dort ihre Notdurft verrichten dürfen, wo ein Kranker seinen Darm entleert hat. Aber, Herr Polizeisergeant, bekräftigen Sie diese Warnung noch mal! Die Leute sollen sich meinetwegen hinter irgendeine Hecke hocken, wenn sie keine andere Möglichkeit haben.«
    Grottkamp nickte. »Ich werde mich sofort auf den Weg machen.«
    »Das wäre zwar durchaus sinnvoll, aber dann liegen Sie morgen wahrscheinlich mit Fieber im Bett. Nein, Grottkamp, Sie gehen jetzt erst mal nach Hause und setzen sich neben den Ofen, bis Sie aufgewärmt und Ihre Kleider wieder trocken sind. Dann stärken Sie sich mit einem kräftigen Mittagessen und anschließend machen Sie sich auf den Weg!«

DREI

    Wenn Martin Grottkamp von den Regeln abwich, die er selbst seinem Leben gegeben hatte, dann musste er einen triftigen Grund dafür haben. Dafür, dass er heute in einem öffentlichen Lokal zu Mittag speiste, obwohl er dies gewöhnlich nur dienstags tat, gab es sogar zwei Gründe.
    Eine Zeitlang hatte Grottkamp neben seiner langsam trocknenden Uniform am Ofen gesessen. Er hatte seine alten Militärstiefel blank gewienert und auch die uninteressanten Berichte in der neuen Rhein- und Ruhrzeitung gelesen. Irgendwann hatte er festgestellt, dass das Stück Brot und die Käseecke, die er eigentlich am Mittag essen wollte, nicht gerade seinen Appetit anregten.
    Da Overberg ihm empfohlen hatte, zur Stärkung seiner Gesundheit eine kräftige Mahlzeit einzunehmen, war ihm der Gedanke gekommen, in ein Gasthaus zu gehen. Doch die Empfehlung des Herrn Vorstehers allein reichte nicht aus, ihn zu einer Verletzung seiner Regeln zu verleiten, zumal sich wahrlich darüber streiten ließ, ob ein Stück Brot und ein Kanten Käse zusammen mit einer Kanne Kaffee nicht ein durchaus kräftiges Mittagessen ausmachten.
    Dann war ihm durch den Kopf gegangen, dass er Julius Terfurth während seiner abendlichen Inspektionen der

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