Tod auf dem Drahtseil (Roman) (German Edition)
Hospital. Wenig später hatten die Polizisten auch Sheba gestellt, die andere Löwin.
Mittlerweile war auch Alexej dazugekommen und flehte darum, das Tier nicht zu erschießen. Er betrachtete die beiden Löwinnen wie seine Kinder und wollte sie um jeden Preis beschützen.
Er ging vorsichtig auf Sheba zu, sprach dabei ständig beruhigend auf sie ein, und das Tier lauschte zunächst seinen Worten, wie es das sein Leben lang getan hatte, reckte sich dann und lief leichtfüßig und elegant, ganz gespannte Katze, auf Alexej zu.
Einer der jüngeren Polizisten hielt diese Spannung allerdings nichts mehr aus. In dem Glauben, das Tier würde den Dompteur angreifen wollen, zog er seine Pistole und begann zu schießen.
Alexej schrie auf, die Katze fauchte, ging dann zu einem Brüllen über, machte noch einen Sprung, wurde dann aber von vier weiteren Polizisten, die blitzschnell reagierten, mit Kugeln eingedeckt.
Mit einem letzten, kläglichen Maunzen fiel sie zu Boden, und Alexej warf sich über sie, weinend und alle Polizisten dieser Welt verfluchend.
„Dina! Sheba!“, jammerte er. „Warum musstet ihr jetzt sterben? Wer hat euch und mir das angetan? Kann es denn sein, dass jemand so abgrundtief gemein ist?“ Sein Weinen steigerte sich eher noch, als die Beamten ihn wegziehen und den Kadaver beseitigen wollten. Er wurde fast tobsüchtig, und in seinem Schmerz erhob er jetzt absurde Beschuldigungen. Aus irgendeinem Grunde schien er jetzt zu glauben, dass Pat die Tiere freigelassen hatte, damit er mit ihnen nicht die neue Nummer einüben konnte. Natürlich war das Unsinn, aber Alexej war so in seinem Schmerz gefangen, dass er nicht mehr klar denken konnte. Und so richtete sich seine Wut auf Pat, die einzige, mit der er in den letzten Tagen eine Auseinandersetzung gehabt hatte. Das war für ihn Grund genug, ihr die Schuld am Tod der beiden Tiere zu geben.
„Das wird sie mir büßen. Sie ist schuld daran! Sie hat euch umgebracht! Wie konnte sie das nur tun? Ihr seid doch harmlos. Und ich hätte euch nie zu etwas gezwungen, das weiß sie doch auch!“ Seine Worte wurden dann undeutlicher, weil er wieder laut aufweinte.
Niemand verstand seine Worte so recht, doch einer der Polizisten, der seinen Bericht Inspector Lamont direkt übergab, erzählte davon, und Keith begann sich eine Menge Gedanken zu machen.
*
Zwischenspiel
Circa dreihundertfünfzig Jahre vor unserer Zeit:
„Sie ist eine Hexe! Verbrennt sie! Steinigt sie vorher, und dann übergebt ihre Seele dem Feuer. Sorgt dafür, dass sie nie wiederkommt!“
Die Frau, von der hier die Rede war, stand auf einem Schinderkarren und blickte über die Menschenmenge hinweg, als würde sie keinen davon sehen.
In diesem Sommer des Jahres 1648 war eine fahrende Gauklertruppe in die kleine Stadt Dumbarton gekommen und hatte dort am alljährlichen Jahrmarkt ihre Zelte aufgeschlagen.
In diesem Sommer des Jahres 1648, der eine gute Ernte versprach, hatte es plötzlich merkwürdige Vorkommnisse gegeben, die niemand so recht zu erklären wusste.
Und in diesem Sommer des Jahres 1648 stand diese junge, schöne Frau auf dem Schinderkarren, der sie zum Richtplatz brachte, auf dem sie in kurzer Zeit verbrannt werden würde.
Bis zuletzt hatte sie vor dem Stadttribunal ihre Unschuld beteuert, auch durch die hochnotpeinlichen Befragungen hindurch, aber niemand hatte ihr geglaubt. Es galt ja schon als Beweis der Schuld, wenn eine Frau der Folter widerstand. Brach sie aber zusammen und gestand, war sie ebenso schuldig.
Und es war ein ehrenwerter Bürger der Stadt, der sie beschuldigt hatte, zuerst sein Vieh und dann seine Frau verhext zu haben. Dass dieser bei vielen angesehene Mann in Wirklichkeit daheim ein Tyrann war, der seine Frau prügelte und sein Vieh vernachlässigte, war nicht allgemein bekannt, denn nach außen hin pflegte er das Ansehen eines wohlwollenden und wohlhabenden Bürgers, der Almosen gab und sich der Armen erbarmte.
Doch das Vieh war aufgrund mangelnder Versorgung eingegangen, denn er bezahlte auch die Knechte schlecht und hatte daher nur wenige Hilfskräfte. Und seine Frau hatte die Gemeinheiten und Brutalitäten nicht mehr ausgehalten und war deshalb davongelaufen.
Aber da der Bürger das nicht wahrhaben wollte, hatte er kurzerhand die Wahrsagerin aus der Gauklertruppe beschuldigt, und nur zu gerne hatte man ihm geglaubt. Gaukler und Musikanten galten immer als ein wenig suspekt, und man traute ihnen alles Mögliche Böse zu.
Und so war es denn auch
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