Tod auf dem Drahtseil (Roman) (German Edition)
hochstilisierten.
Keith fühlte sich durch Moira, die Seiltänzerin, an Isabella erinnert. Doch jetzt war er wieder auf dem Weg zum Zirkus, um mit Pat zu sprechen. Er hatte bereits eine Unterredung mit dem noch immer aufgeregten Alexej hinter sich, der in schwere Depressionen verfallen war. Und eigentlich wider besseres Wissen hatte der Dompteur die schwere Beschuldigung erhoben, dass Pat den Käfig geöffnet haben musste, um ihm die neue Nummer unmöglich zu machen. Er bezog sich dabei auf den Streit, den die beiden gehabt hatten, und dessen Ohrenzeuge Keith selbst gewesen war.
Aber Lamont konnte sich nicht vorstellen, dass die junge Artistin deswegen die Käfigtür öffnen würde, dafür war sie viel zu tierlieb. Und ihr musste klar sein, was passierte, wenn die Katzen frei herumliefen und draußen die Stadt in Angst und Panik versetzten.
Doch als Keith auf dem Zirkusgelände ankam, spürte er die Spannung, die greifbar in der Luft lag, und er bemerkte, dass hier vieles nicht mehr so war wie in den vergangen Tagen.
Hatten sonst die Artisten in kleineren Grüppchen zusammen gestanden und geprobt oder miteinander geredet, so schienen sich jetzt alle misstrauisch aus dem Weg zu gehen, und selbst die Tiere fauchten und knurrten, oder trompeteten laut wie die Elefanten, um anzuzeigen, dass hier etwas nicht stimmte.
Pat saß allein in ihrem Wohnwagen, und Keith sah sofort, dass sie geweint hatte. Am liebsten hätte Lamont sie in die Arme genommen und getröstet, aber er rief sich selbst zur Ordnung. Er war dienstlich hier, und es war durchaus möglich, dass Pat doch schuldig war und nur eine bühnenreife Vorstellung lieferte.
Seine Kollegin Janet hatte er heute im Büro gelassen. Und so setzte Keith sich zwanglos auf einen Stuhl und schaute Pat an, die rasch den Kopf abwandte, damit er ihre Tränen nicht mehr sehen konnte.
„Pat?“, fragte er sanft. „Pat, was ist los? Warum weinen Sie? Ist es, weil Alexej Sie beschuldigt?“
Jetzt wandte sie ihm ihr tränenüberströmtes Gesicht zu und schüttelte dann wild den Kopf.
„Nein, ich nehme Alexej die Beschuldigung nicht übel. Er ist außer sich vor Trauer um seine Tiere, und wahrscheinlich wird er morgen, wenn er wieder zu sich kommt, nicht einmal mehr wissen, was er gesagt hat. Nein, es ist wirklich schlimmer. Die Flying Generations haben mir die Zusammenarbeit aufgekündigt. Man hat mich ausgeschlossen, gekündigt! Ich muss gehen, weil niemand mehr Vertrauen zu mir hat.“
*
„Der Zirkus muss weg! Heute noch!“ Das war der einzige Gedanke, den Bürgermeister Haggarty nach dem Zwischenfall mit den beiden Löwen noch hatte. Er sprach sich mit dem Amt für öffentliche Ordnung ab, dann rief er selbst Cedric O’Malley an, der zunächst gegen diesen Ausweisungsbeschluss protestierte. Doch er musste einsehen, dass ihm keine Möglichkeiten blieb, dagegen Einspruch zu erheben. Doch die Unruhe, die sich im Zirkus breitgemacht hatte, würde sicher nicht dadurch gelegt werden, dass man jetzt einfach aus der Stadt verschwand.
Rein zufällig hatte Cedric gesehen, dass Keith Lamont sich auf dem Weg zu Pat befand. Und so nahm er sich vor, ihn gleich darauf anzusprechen, ob es nicht doch noch eine Möglichkeit gäbe, hier zu bleiben.
Wie Cedric wusste, wären trotzdem die meisten der Artisten froh darüber gewesen, auf der Stelle aus der Stadt zu verschwinden, denn niemandem gefiel es hier, schon deswegen, weil der Aberglaube hier regelrechte Purzelbäume schlug und sich schon unheimliche Geschichten entspannen, die natürlich jeder Grundlage entbehrten. Also wäre ihnen allen nichts lieber gewesen, als sofort abzureisen.
Doch Cedric befürchtete schlechte Propaganda und außerdem riesige Einnahmeverluste, wenn sie jetzt überstürzt ihre Zelte abbrachen.
Natürlich hatte man zu befürchten, dass auch hier die Einnahmen absacken würden, doch bisher war es immer noch so, dass das Zelt jeden Abend ausverkauft war. Es gab einfach eine Menge Leute, die ganz einfach sensationslüstern waren und auf das nächste Unglück warteten. Und dann wollten sie dabei sein.
Und noch einen Grund hatte Cedric, um die Stadt nicht gleich wieder zu verlassen. Es würde einen sehr schlechten Eindruck innerhalb der nationalen Zirkuskreise machen, wenn sie regelrecht flohen, wo es doch noch so viele ungeklärte Fragen gab. Dazu kam, dass die Flying Generations in Auflösung begriffen waren. Denn wenn Pat nicht mehr dazugehörte, dann war die Zugnummer der Truppe weg. Doch solange
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