Tod auf der Fähre (German Edition)
unruhig in seinem Büro auf und ab. Nervös kramte er einen Gesetzesband aus dem Bücherregal, legte ihn wieder zurück und ergriff wahllos den nächsten. Als es klopfte, öffnete er innert Sekunden die Tür, ganz entgegen seiner sonstigen Gewohnheit, Besucher mindestens ein paar Minuten warten zu lassen.
«Ah, endlich, da sind Sie ja, Ferrari. Kommen Sie herein.»
Bevor er wusste, wie ihm geschah, wurde Ferrari vom Staatsanwalt durchs Zimmer geschoben und auf einen Stuhl gedrückt. Borer eilte um den Tisch herum, schlug sich das Bein an der Tischkante an und setzte sich fluchend, das malträtierte Bein massierend, auf seinen Ledersessel.
«Eine vertrackte Geschichte.»
«Tuts weh?»
«Das meine ich nicht, Ferrari. Ich meine den Tod von Frank Brehm.»
«Ja, es scheint so, als ob ihm jemand den Schädel eingeschlagen hat.»
«Und das ausgerechnet auf dem Höhepunkt seiner Karriere.»
Der Kommissär stellte sich die Frage, ob es Frank Brehm eine Rolle gespielt hätte, sich am Anfang seiner Karriere oder erst jetzt, auf dem Zenit, ermorden zu lassen. Da er die Antwort mit ins Grab genommen hatte, behielt er die Frage für sich.
«Ich möchte Sie um eines bitten.»
Ferrari wusste bereits, was folgte: Diskretion war angesagt, weil wichtige und einflussreiche Persönlichkeiten mit dem Fall zu tun hatten, ja Taktgefühl, und er wünsche, über sämtliche Schritte, die unternommen werden, unverzüglich informiert zu werden.
«Ich bitte Sie, dass Sie alles Erdenkliche unternehmen, damit der Mörder gefasst wird. Sie haben meine vollste Unterstützung.»
Er wartete darauf, dass Borer auf den Punkt kam.
«Haben Sie mich verstanden, Ferrari?»
«Wie? Ja, natürlich. Haben Sie noch weitere Anweisungen für mich?»
«Nein, ich wollte Ihnen nur meine vollste Unterstützung signalisieren. Ich erwarte von Ihnen eine lückenlose Aufklärung des Tötungsdelikts. Und dies so schnell wie irgend möglich.»
Heute war definitiv nicht sein Tag. Schlechtes Wetter, ein Mord an einem berühmten Künstler und nicht einmal auf Borer und seine Floskeln war Verlass. Er fühlte sich unwohl und informierte sichtlich irritiert den Staatsanwalt über seine nächsten Schritte.
«Ich werde mich zuerst mit der Witwe unterhalten, wenn sie dazu in der Lage ist. Danach mit seinem Galeristen. Ich habe gelesen, dass im Moment seine neusten Werke ausgestellt sind. Und morgen früh liegt der Autopsiebericht vor. Vielleicht bringt dieser neue Erkenntnisse. Baer besorgt inzwischen alles, was über Brehm in den letzten Monaten geschrieben wurde.»
«Sehr gut.»
Das klang, als ob die Audienz beendet wäre. Ferrari erhob sich hustend. Hoffentlich hatte er sich nicht erkältet. Jetzt würde der Staatsanwalt noch darauf hinweisen, dass der alte Vischer ein Parteifreund sei und dass er mit der nötigen Diskretion ermitteln solle.
«Ah ja, noch etwas, Ferrari.»
Die Sonne schien doch noch aufzugehen.
«Ich bin sicher, dass dieser Fall in den richtigen Händen liegt. Sie sind mein bester Mann. Sie werden ihn lösen.»
Ferrari verliess kopfschüttelnd das Büro des Staatsanwaltes.
5. Kapitel
Den ganzen Vormittag schob Ferrari die unangenehmste Aufgabe des Tages vor sich her, nämlich Olivia Vischer den Tod ihres Mannes mitzuteilen. Er wusste, dass ihm dies niemand abnehmen würde. Das gehörte zu seinen Pflichten. Am Nachmittag fand er keinen weiteren Vorwand, der plausibel genug war, das Gespräch länger hinauszuzögern. Er nestelte einen zerknüllten Zettel aus dem Hosensack, auf dem er sich die Adresse notiert hatte. Wie nicht anders zu erwarten, wohnten Vischers im exklusivsten Wohnviertel oberhalb der Stadt. Da Vischers Anwesen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nur mühsam zu erreichen war, forderte er einen Dienstwagen an. Er bat den Fahrer, der am liebsten mit Blaulicht durch die Stadt gerast wäre, ihn beim Radiostudio abzusetzen. Er wollte die letzten Meter zu Fuss gehen, um in Gedanken nochmals durchzukauen, wie er es Olivia Vischer schonend beibringen konnte.
Ferrari spazierte durch eine ihm fremde Welt. Mehrere Villen im englischen Landstil säumten den Strassenrand. Beim Vorbeigehen versuchte er die Namen auf den Briefkästen zu lesen, doch auf den meisten waren nur die Initialen zu erkennen. Seine Schritte wurden langsamer, am Ende der Sackgasse thronte die Villa der Familie Vischer, leicht erhöht am Hang. Das Haupthaus des Gebäudekomplexes erreichte man durch ein grosses Eisentor. Auf sein mehrmaliges Klingeln hin fragte ihn
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