Tod auf der Fähre (German Edition)
Sie, der Schock … Frau Vischer weiss nicht, was sie sagt.»
Olivia Vischer nahm dem perplex starrenden Ferrari seinen leeren Cognacschwenker aus der Hand, goss einen Rémy Martin nach, drückte ihm das gefüllte Glas in die Hand und prostete ihm zu.
«Auf Ihr Wohl.»
Nach einer Schreckminute, in der er zuerst einmal das eben Gehörte verdauen musste, begannen seine grauen Zellen langsam wieder zu arbeiten. Er sah auf sein Glas und nahm einen kräftigen Schluck, einen übermässig grossen Schluck, der zu einem Hustenanfall führte.
«Entschuldigung … entschuldigen Sie», keuchte er, noch immer durch heftigen Hustenreiz geplagt, «aber … das … habe … ich in meiner langjährigen Laufbahn noch nie gehört.» Dankbar nahm er von Hauswirth ein Glas Wasser entgegen.
«Besser?», fragte Hauswirth.
«Viel besser.» Er atmete tief durch. Olivia Vischer schien sich spitzbübisch zu freuen.
«Ich habe Sie aus dem Konzept gebracht, nicht wahr? Da kommen Sie mit einem Stein im Magen hier herauf, bringen mir schonend den Tod meines Mannes bei und finden statt einer von Weinkrämpfen geschüttelten Witwe die eiskalte, bestens gelaunte Dame des Hauses vor.»
«Es ist schon, sagen wir einmal, eine ungewöhnliche Situation, mit der Sie mich konfrontieren.»
«Und für die ich Ihnen eine Erklärung schulde.»
Ferrari kippte den kümmerlichen Rest seines Cognacs runter. Eigentlich schade um so einen guten Tropfen, dachte er. Unter anderen Umständen würde er sich diesen auf der Zunge zergehen lassen.
«Noch einen?»
«Ich weiss nicht.»
Als Frau Vischer auffordernd mit der Flasche winkte, konnte er nicht widerstehen. Seufzend ergab er sich in sein Schicksal.
«Ich wäre Ihnen in der Tat für eine Erklärung dankbar, Frau Vischer», bat er höflich mit einem kleinen Zungenschlag. Kein Wunder nach drei Rémy Martin auf ziemlich nüchternen Magen. Ausser den Croissants hatte er heute noch gar nichts gegessen.
«Frank hat den Tod verdient!», begann sie ihr Bekenntnis.
«Olivia, niemand verdient den Tod!», protestierte Hauswirth.
Die undefinierbaren Longdrinks, sie hatte inzwischen auch bereits drei oder vier in sich hineingeschüttet, zeigten Wirkung.
«Lass mich ausreden, Hans, sonst fliegst du raus. Ist das klar?»
Er nickte. Wahrscheinlich kannte er das Stadium, in dem sich Olivia Vischer befand, und hielt es für angebracht zu schweigen, damit die Situation nicht vollständig eskalierte.
«Ich habe ihn geliebt … ich habe ihn vergöttert … ihn angebetet … den jungen, genialen Frank Brehm. Nächtelang sassen wir zusammen, diskutierten, wollten die Welt aus den Angeln heben. Er mit seinen fantastischen Ideen, ich mit meinem Geld.» Das Wort Geld klang wie ein Fluch.
«Ich hätte alles für ihn getan … alles! Seinetwegen sogar auf mein Geld verzichtet. Es wäre mir egal gewesen. Frank war Gott … und Teufel zugleich!»
Ferrari sah sie fragend an.
«Gott, weil er mir Liebe gab, mir Aufmerksamkeit schenkte. Weil er mir die Schönheit der Welt zeigte, Gott, weil er mit seinen Händen ein Schöpfer war. Und Teufel, weil er alles zerstörte, was sich ihm in den Weg stellte, weil er alle benutzte, die ihn liebten … weil er …»
Olivia Vischer verstummte, Tränen rollten über ihre Wangen. Die Vergangenheit, die Erinnerungen an Frank Brehm hatten sie gefangen genommen. Hauswirth versuchte, ihr das leere Glas wegzunehmen. Sie umklammerte es so fest, dass der Kommissär befürchtete, es werde zerspringen. Mit schweren Beinen erhob sich Ferrari und ging auf Olivia Vischer zu. Als er in ihre leeren Augen blickte, wusste er, dass sie nicht mehr ansprechbar war.
Er bat Hauswirth, ihn zum Ausgang zu begleiten.
«Sie gibt es zwar nicht zu und sie wird es auch nie zugeben, sie ist eine sehr starke Person, aber Franks Tod hat sie härter getroffen, als sie Ihnen weismachen wollte.»
Ferrari nickte bloss.
«Ich muss sie wahrscheinlich nochmals belästigen. Ich muss wissen, was Herr Brehm für ein Mensch gewesen ist. Wer sich hinter der Maske des Künstlers Brehm versteckt hielt. Kannten Sie ihn gut, Herr Dr. Hauswirth?»
«Gut ist zu viel gesagt. Wir kannten uns. Aber Freunde waren wir nicht.»
Zu weiteren Auskünften war Hauswirth nicht zu bewegen. Er führte Ferrari zum Tor, wollte anscheinend Gewissheit haben, dass der Kommissär das Anwesen auch wirklich verliess.
«Rufen Sie doch bitte vorher an, damit Sie sich nicht umsonst bemühen müssen», bat Hauswirth. Und damit du genügend Zeit hast, dich
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