Tod auf der Koppel
heraus war und es mit seiner Farm bergauf ging, hatte ihn Lucy dazu überredet, sich ein gutes Pferd anzuschaffen. Niemand verstand so recht, weshalb sich die nette kleine Lucy so für Pferderennen begeisterte. Am Anfang hatte sich Jock nur lustig darüber gemacht. Aber das tat er, wie man gerechterweise zugeben mußte, immer bei ihr. Sobald er es sich leisten konnte, nahm er sie zu allen Rennen in der näheren Umgebung mit und auch, wenn ein Vollblut versteigert wurde. Sie hatte alles mit sehnsuchtsvollen Augen angesehen, und jedesmal, wenn ein Sieger nach dem Rennen gewogen wurde, hatte sie leise geflüstert: »Eines Tages werden wir auch so ein Pferd haben.«
Und eines Tages war es dann soweit.
Es war eines jener phantastischen Geschäfte, wie sie höchstens ein- oder zweimal in zehn Jahren passieren. Jock und Lucy hatten sich sofort in das freundliche, wohlerzogene Fohlen verliebt und es für zweihundert Pfund gekauft. Sie hatten es nach Hause gebracht, und als sich herausgestellt hatte, daß es lammfromm war, hatten sie es selbst zugeritten. Später hatten sie es dem besten Jockey anvertraut, den sie bekommen konnten, unter der einzigen Bedingung, daß er es nicht überanstrenge. Sie konnten warten.
Unglücklicherweise traf das für Lucy nicht zu. Als Fatal Ladys Stern aufzugehen begann, starb Lucy ganz plötzlich. Die Nachbarn hatten gemeint: »Jock wird das Pferd sicher bald wieder verkaufen. Er wird nichts um sich haben wollen, was ihn an Lucy erinnert.« Und der eine oder andere hatte sich schon auf einen guten Handel gefaßt gemacht.
Aber ihre Hoffnungen waren vergeblich gewesen. In seiner Verzweiflung — denn sie hatten nur wenige Freunde und keine Kinder — hatte Jock sein Herz mehr und mehr dem Pferd geschenkt. Er schien das Gefühl zu haben, daß das das Letzte war, was ihm von Lucy geblieben war. Die Leute schüttelten den Kopf. »Es wird ein schwerer Schlag für ihn werden, wenn ihn Fatal Lady eines Tages enttäuscht. Denn höchstens ein Pferd unter tausend setzt sich durch«, meinten sie.
Fatal Lady war dieses Wunderpferd unter tausend. Jock hatte kein Geld gespart und immer wieder darauf bestanden, daß nichts überstürzt werde. Das zahlte sich nun aus. Drei Jahre lang trug Fatal Lady Preis um Preis nach Hause, während ihr Ruhm immer heller erstrahlte, bis sie dann mit der begehrtesten Trophäe, dem Großen Preis des Rennvereins, aufhörte. Für Jock war es ein Tag des Stolzes gewesen, als er den Preis entgegengenommen und stockend ein paar Dankesworte ins Mikrofon gesprochen hatte. Wenn das Lucy erlebt hätte...
Sara seufzte abermals. Jock hatte soviel Glück mit Fatal Lady, und Dalby Lord, der alles über Pferde wußte und dessen Herz an ihnen hing, hatte noch nie ein solches Wunderpferd besessen. So große Mühe er sich auch gab und so sorgfältig er seine Pferde auch trainierte, sein Stall hatte bisher nur immer Preise zweiten oder dritten Ranges gewonnen. Trotzdem hatte er stets nur in höchsten Lobestönen von Fatal Lady gesprochen. Jemand, der nicht so großzügig wie er war, wäre vor Eifersucht geplatzt.
Das war es nicht, was Sara Kopfzerbrechen machte. Auf der ganzen Heimfahrt weilten ihre Gedanken bei der Szene, deren unfreiwillige Zeugin sie geworden war. Wie schrecklich hatte Simons Stimme geklungen! Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie er dagestanden hatte, anderthalb Kopf größer als Jock, und wie seine Augen vor Wut geblitzt hatten. Ob es wohl klug gewesen war, daß sie davongelaufen war? Hätte sie nicht besser unter lautem Lärm auf die Veranda laufen und die beiden ablenken sollen, um die gereizte Stimmung zwischen ihnen zu besänftigen, von der sie ganz deutlich spürte, wie gefährlich sie war? Sara war ganz durcheinander, als sie daheim ankam, und ging sofort in den Stall.
Sie fand Dalby Lord dort. Er war allein und beschäftigte sich mit der neuen Stute, die er vor einigen Wochen gekauft hatte. Sara wußte nichts über das Tier, nur daß es aus einem Gestüt stammte, das hatte aufgelöst werden müssen, und daß es einen glänzenden Stammbaum hatte. Lord hatte keine Mühe gescheut, um an das Pferd heranzukommen, und eine Menge Ärger dabei gehabt. Aber Sara stellte sich vor, daß er davon träumte, einmal ein großes Rennen mit ihm zu gewinnen. Und sie hoffte, daß er nicht enttäuscht werde. Ihr machte das Tier keinen besonderen Eindruck — eine gewöhnliche braune Stute mit zwei weißen Fesseln.
»Es tut mir leid, aber ich konnte wegen des Heus nichts
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