Tod im Koog - Hinterm-Deich-Krimi
Christoph böse an. »Ich bin Arzt und
habe einen anstrengenden Job in diesem Haus. Ich bin hier nicht als
Bezirkscasanova eingestellt, auch wenn viele Frauen es auf mich abgesehen
haben. So. Jetzt warten die Patienten auf mich. Auf Wiedersehen, meine Herren«,
komplimentierte er sie vor die Tür.
»Das sind merkwürdige Zufälle«, sagte Christoph, als sie auf dem
Flur standen. »Offenbar sind Schwester Heike und ihre Kollegin Beate zur selben
Zeit mit einem Mann intim gewesen, während Schwester Elena kurz darauf brutal
vergewaltigt wurde.«
»Das ist keine Kurklinik, sondern ein Sexclub«, murrte
Große Jäger.
Verwaltungsleiter Zehntgraf hockte in seinem Büro. Inzwischen waren
Büromöbel eingetroffen, die aber noch nicht eingeräumt waren. Ein Schweißfilm
glänzte auf dem Gesicht. Unter den Achseln hatten sich große dunkle Flecken
gebildet. Der Mann sah total überfordert aus. Unwirsch sah er den beiden
Beamten entgegen.
»Am Donnerstag haben die drei Krankenschwestern als Bedienung
ausgeholfen. Warum?«, fragte Christoph direkt.
Zehntgraf fuchtelte mit seiner Hand in der Luft herum. »Sie haben es
doch selbst mitbekommen, was hier läuft. Oder besser gesagt: nicht läuft. Erst
werden Termine gesetzt, die nicht zu halten sind. Dann wird am Personal
gespart. Ich sollte eine repräsentative Einweihungsfeier organisieren, aber mit
Bordmitteln, wurde mir ausdrücklich aufgetragen. Die Küche hat Essen und
Trinken bereitgestellt. Ich muss mich noch beschimpfen lassen von diesem
Architekten, weil wir seiner Meinung nach Fusel vom Discounter ausgeschenkt
haben. Wie soll ich jemanden für die Bedienung der Gäste aus dem Hut zaubern?
So mussten die drei Frauen mithelfen. Wie alle anderen vom Personal. Ihren
Unmut haben die drei deutlich kundgetan. Elena Petrescu war kurz nach zehn
verschwunden. Wenigstens hat sie als Einzige die Stunde davor noch ein wenig
mitgeholfen, während zuerst Schwester Heike und anschließend Schwester Beate
abgetaucht sind. Ich hätte zu gern gewusst, wohin die sich verdrückt haben.
Wenn ich selbst nicht mit angefasst hätte, hätten wir ein schlechtes Bild
abgegeben.«
»Zwischen neun und zehn Uhr war es ohnehin ein wenig ruhiger«,
wandte Christoph ein.
»Davon wüsste ich was«, maulte Zehntgraf.
»Pastor Hansen ist aus der Kerntruppe als Erster gegangen, kurz
darauf der Husumer Bürgermeister«, zählte Christoph auf. »Monsignore Kuslmair
hat gesagt, er wäre eine Weile zum Deich und zum Parkplatz gegangen, um in Ruhe
seine Zigarre zu rauchen. Dr. Aufgänger war auch eine Weile abwesend. Wo
waren Sie? Addi Blödorn von der Kreisverwaltung und der Architekt?«
»Wir haben zusammengesessen. Jeder war mal kurz weg. De Frontier war
ein wenig länger unterwegs. Er wollte sich die Beine vertreten, hatte er
gesagt. Außerdem musste er telefonieren. Ich habe mir eine Weile das
Dummgeschwätz von diesem Menschen von der Kreisverwaltung anhören müssen, bis
der Arzt zurückkehrte. Kurz darauf kam der Monsignore, während de Frontier noch
etwas länger unterwegs war.«
»Sie haben mit Blödorn allein im Garten gesessen?«
»Zumindest aus dieser Runde.«
»Kann das Addi Blödorn bestätigen?«
»Fragen Sie ihn doch selbst.« Plötzlich stutzte Zehntgraf. »Was
wollen Sie mit diesen Fragen eigentlich bezwecken?«
»Wir suchen einen Mörder. Das ist alles«, erwiderte Christoph zum
Abschluss.
Auf dem Weg zum Parkplatz hielt Christoph einen kurzen
Moment inne und atmete tief die würzige Seeluft ein. Direkt hinterm Deich lag
das Wattenmeer. Ein leichter Luftzug streichelte die Haut. Die Lage der Klinik
war ein Idyll.
»Man hat den Eindruck, überhaupt nicht voranzukommen«, sagte Große
Jäger unzufrieden und holte ihn in die Wirklichkeit zurück. »Das sind doch
alles normale Menschen hinter einer bürgerlichen Fassade und keine
Berufskriminellen. Und trotzdem lügen sie wie gedruckt. Ist es nicht
erschreckend, was sich auf einer solchen Party alles abspielen kann?«
»Das ist doch nicht neu. Denke an die Besenkammern, in denen sich
Boris Becker und Kaiser Franz ausgetobt haben. War das nicht jeweils auch in
Verbindung mit einer offiziellen Veranstaltung?«
»Man kann den Eindruck gewinnen, dass nur noch bei der Polizei
gesittete Feiern abgehalten werden.«
»Du bist und bleibst ein Philosoph«, sagte Christoph.
»Im Unterschied zu dir.« Als Christoph den Oberkommissar fragend
ansah, ergänzte der: »Dir ist das kritische Urteilsvermögen abhandengekommen.
Sonst würdest du
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