Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod im Tauerntunnel

Tod im Tauerntunnel

Titel: Tod im Tauerntunnel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Huby
Vom Netzwerk:
400. Die glatte Zahl befriedigt ihn irgendwie. Er setzt sich in sein Auto und hockt reglos hinter dem Lenkrad.
    Nach einer Weile läßt er den Motor an, reißt den ersten Gang hinein, gibt Gas und läßt die Kupplung schnappen. Der Wagen macht einen Satz nach vorn und nimmt einem anderen Fahrzeug die Vorfahrt. Bienzle hat ein Gesicht, das selbst seine Frau nicht wiedererkennen würde.
    Der Kommissar ist auf dem Weg zum Quellenwirt in die Altstadt.
    Den Wagen stellt Bienzle hinter der Leonhardskirche ab und geht die paar Schritte zum Quellenwirt zu Fuß. In der Kneipe ist es laut wie immer, und die Luft ist zum Schneiden. Ein Musiker spielt auf der Hammondorgel, begleitet von einem automatischen Rhythmusgerät, ›Blue Spanish Eyes‹. Der Wirt, breit und behäbig, wischt mit einem feuchten Tuch die Theke ab und starrt dem Kommissar ins Gesicht.
    »Des bedeutet nix Gut's, wenn Sie kommet«, murmelt er und stellt Bienzle ungefragt ein Bier hin.
    Ein paar Männer verdrücken sich. Anna, die Bedienung, sammelt das Geld ein, das sie auf den Tischen zurückgelassen haben und kommt zur Theke. Sie ist zu dick. Ihre weiße Bluse kämpft ständig um den Anschluß an den Rockbund. Ohne Erfolg.
    »Ja«, sagt Bienzle, »das bedeutet nichts Gutes.«
    »Es hat noch nie was Gutes bedeutet«, sagt der Wirt. »Aber wenn Sie's schon zugeben...«
    »Stuttgart war mal eine ganz anständige Stadt«, sagt Bienzle, »sogar in der Altstadt«. Das Bier trinkt er in einem Zug leer und schiebt das Glas über den Tresen.
    »So isch's no au wieder«, sagt der Wirt und dreht den Bierhahn auf.
    »Das ist mein Spruch«, mault Bienzle und geht zu einem Ecktisch, an dem drei Stammgäste mit einem Mann, dem leicht anzusehen ist, daß er vom Land in die Stadt gekommen ist, um etwas zu erleben, ›Fingerhütchen‹ spielen. Eine Erbse wird auf den Tisch gelegt, der Spieler schiebt eines von drei Fingerhütchen darüber, fährt mit allen dreien hin und her, wechselt blitzschnell von einer Hand in die andere und fragt schließlich: »Na, wo steckt sie?« Der fremde Gast deutet auf einen Fingerhut; der Spieler hebt ihn hoch. »Nichts«, sagt er; »fünf Mark für mich.«
    Bienzle hebt die drei Fingerhüte hoch, zieht aus einem einen Wattebausch mit der Erbse drin. »So einfach ist das«, sagt er. »Die Erbse steckt in der Watte. Egal welchen Fingerhut man hochhebt, die Erbse findet man nie auf dem Tisch... Verbotenes Glücksspiel. Gebt dem Mann sein Geld zurück.«
    Die drei schieben Geldscheine über den Tisch. Bienzle geht zum Tresen zurück. ›Der Polizist unterliegt dem Verfolgungszwang‹ - so hat er es gelernt. Eigentlich müßte er die Personalien der drei aufnehmen und den Kollegen vom Betrugsdezernat weitergeben. Er dreht sich noch mal um: »Haut ab, bevor ich mir's anders überleg!« Das Ganoventrio zahlt und verdrückt sich hastig. Der Provinzonkel auch.
    Bienzle schüttet das nächste Bier in sich hinein und schiebt das leere Glas unter den Hahn. An der Tür ist Korbut erschienen. Bienzle sieht ihn aus den Augenwinkeln, ohne zu zeigen, daß er ihn bemerkt hat.
    »Ja, Frankfurt - das ist was anderes«, sagt er nachdenklich; »da sitzen die Waffen lockerer, da geht es um größere Beträge, da ist das Verbrechen brutal. Bei uns war's bisher ein bißchen gemütlicher. Kein Klein-Chicago.«
    Der Wirt wird unruhig, würde offenbar gern in die Küche verschwinden, traut sich nicht, bleibt stehen.
    »Daß sich irgendwer einen Killer kauft, um einen Hehler umzulegen - gut, das kann auch hier passieren. Obwohl es für uns ziemlich neu ist. Aber daß ein harmloses, hilfloses Mädchen, eine kleine Sekretärin, die nichts auf dem Kerbholz hat, die immer nur gearbeitet, ihr kleines Leben gelebt hat, vielleicht sogar ein bißchen glücklich war - daß eine solche liebenswerte Person...« Bienzle dreht sich blitzschnell um und macht drei energische Schritte auf Korbut zu, der noch immer in der Tür steht. »...kaltblütig niedergeschossen wird wie ein Stück Vieh im Schlachthof«, brüllt er plötzlich los, hat Korbut am Revers gepackt und fährt dann ganz leise, fast flüsternd fort: »...das ist wirklich neu für unser Stuttgart.«
    Beim Quellenwirt ist es mäuschenstill geworden.
    Korbut ist kreidebleich im Gesicht und zittert. »Herr Kommissar...« stottert er.
    »Ich hab Sie zum Bier eingeladen; setzen wir uns«, sagt Bienzle fast im Plauderton. »Was kann ich für Sie bestellen?«
    Anna kommt an den Tisch und wischt ihn blank, obwohl er völlig sauber

Weitere Kostenlose Bücher