Tod im Tauerntunnel
anmerken.
»Da drüben sitzt ein Mann, der Ihr Haus beobachtet. Ihre Leibwache? Oder einer, der für Sie gefährlich werden kann?« fragt Bienzle.
»Vielleicht ein neugieriger Polizist«, gibt Bäuerle zurück.
»Nicht schlecht«, sagt Bienzle; »wenn ich mal mehr Zeit habe, komme ich auf ein paar Takte Konversation vorbei... Kennen Sie Hannelore Schmiedinger?«
»Natürlich; sie arbeitet für meinen Schwager.«
»Na, jetzt ja nicht mehr; er ist ja tot, und ob sie den Mordanschlag überlebt, weiß noch niemand.«
»Was heißt denn das?« Bäuerle zeigt keinerlei Wirkung. »Hat man etwa...«
»Ja, man hat. Man hat versucht, die Sekretärin Ihres seligen Schwagers umzulegen. Vor meinen Augen... Wenn sie überlebt, wird sie die Narbe mit den Haaren überdecken können.«
»Und warum schmeißen Sie mich aus dem Bett?« fragt der Rechtsanwalt.
»Sie waren heute früh im Büro Ihres Schwagers. Sie sind nicht sein Rechtsbeistand, oder?«
»Ich war im Auftrag seiner Ehefrau da.«
»Haben Sie gefunden, was Sie suchten?«
»Ich habe nichts Bestimmtes gesucht.«
»Sie werden nicht erwarten, daß ich das glaube, aber Sie werden wissen, daß ich das Gegenteil nicht beweisen kann.«
Bäuerle zuckt die Achseln und gähnt übertrieben. Da versucht Bienzle einen Schuß ins Blaue, in der vagen Hoffnung, damit - wenn nicht heute, dann zu einem späteren Zeitpunkt - ins Schwarze zu treffen:
»Herr Bäuerle, diese Geschichte ist gefährlicher, als Sie glauben. Hinter dem Mord und dem Mordanschlag stecken Profis von einer Qualifikation, wie wir sie bisher in Stuttgart nicht hatten. Eine überregionale, wahrscheinlich eine internationale Organisation. Ihr Schwager muß sich in Geschäfte eingelassen haben, die anderen nicht ins Konzept paßten. Er hat sich übernommen und mußte büßen. Jeder Zeuge wird denselben Weg gehen wie...«
Er unterbricht sich, geht zum Telefon, fragt nicht erst, ob er darf, und ruft das Präsidium an. Er läßt sich Haußmann geben - der ist weiß Gott noch da! - und sagt: »Sofort zwei Mann ins Karl-Olga-Krankenhaus! Das Mädchen muß bewacht werden.«
»Schon vor zwanzig Minuten angeordnet«, sagt Haußmann.
Das ist einer der seltenen Augenblicke, in denen Bienzle sprachlos ist. Haußmann berichtet:
»Korbut hat gestanden, fürchterliche Angst zu haben. Bisher, sagt er, sei alles hier im überschaubaren Rahmen abgelaufen, aber jetzt habe eine große Organisation die Finger drin. Wer singt, sei hin. Ich dachte mir, dann probieren sie es bei der Schmiedinger womöglich noch mal.«
»Junge, Junge, wenn Sie nicht befördert werden, laß ich mich degradieren«, sagt Bienzle und legt auf.
Haußmann bedauert, daß es zu spät ist, seine Freundin anzurufen.
Bienzle wendet sich wieder Bäuerle zu: »Ich will vorerst gar nicht mehr wissen, was Sie vielleicht gesucht haben. Wenn Sie das Richtige gefunden haben, legen Sie sich am besten zwei Dutzend Mann Leibwache zu... Oder Sie sagen mir alles.«
»Das zieht bei mir nicht«, sagt Bäuerle.
»Ich will mal ausnahmsweise offen sein«, sagt Bienzle. »Aber vorher noch eine Frage: haben Sie vielleicht ein Bier im Haus?«
Nachdem er sein Glas in einem Zug geleert hat, sieht er Bäuerle nachdenklich an und sagt: »Ihr verstorbener Schwager hat sich mit einer großen Organisation eingelassen. Wahrscheinlich handelt es sich um einen internationalen Verein. Die haben sich bislang auf Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg und Berlin beschränkt. Jetzt sind sie offensichtlich auch daran, in Stuttgart Fuß zu fassen... Ich nehme natürlich nicht an, daß Sie mit denen gemeinsame Sache machen; dafür sind Sie eine Nummer zu klein. Aber um sich gegen die zu stellen - nehmen Sie's mir nicht übel, dafür sind Sie zehn Nummern zu klein.«
Bäuerle geht zur Hausbar und gießt sich ein Wasserglas mit Whisky voll. »Sie auch einen?« fragt er.
»Wenn es Ihnen nicht zuviel Mühe macht, hätte ich gerne ein Wurstbrot oder so was«, sagt Bienzle.
Bäuerle geht in die Küche und kommt mit einem Stück Leberwurst und Brot zurück. Richtig ordinär wirkt das Vesper auf dem feinen Glastisch vor den Miller-Sesseln, denkt Bienzle und geht sofort daran, den alten Zustand wieder herzustellen, indem er alles aufißt.
»Nun«, fragt er mit vollem Mund, »haben Sie dazu irgend etwas zu bemerken?«
Bäuerle antwortet nicht.
»Na?« fordert Bienzle noch mal auf.
»Ich muß nachdenken«, sagt der Anwalt.
»Nachdenken ist immer gut, wenn es nicht zu lange dauert. Kann ich noch mal
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