Tod in der Königsburg
zurückgezogen lebende Frau
AM BRUNNEN VON ARA
Aona,
der Gastwirt
Adag,
sein Enkel
IN IMLEACH
Ségdae,
Abt und Bischof von Imleach, Comarb von Ailbe
Bruder Mochta,
Bewahrer der heiligen Reliquien
Bruder Madagan,
der
rechtaire
oder Verwalter
Bruder Tomar,
der Stallwärter
Schwester Scothnat,
die
domina
des Gästehauses
Finguine mac Cathal,
Fürst von Cnoc Áine
Bruder Daig
Bruder Bardán,
der Apotheker
Nion,
der
bó-aire
(Dorfschulze) und Schmied
Suibne,
sein Gehilfe
Cred,
eine Gastwirtin
Samradán,
ein reisender Kaufmann aus Cashel
Solam,
ein
dálaigh
der Uí Fidgente
KAPITEL 1
Ein hochgewachsener Mönch eilte den dunklen Korridor entlang. Die Sohlen seiner Sandalen klatschten so laut auf die Granitsteine des Bodens, daß man hätte glauben können, davon würde die ganze Abtei erwachen. Er hielt den dicken Stumpf einer Talgkerze in der Hand, deren Flamme in den zugigen Durchgängen flackerte und tanzte, ihm aber gerade noch den Weg erleuchtete. Ihr Licht verzerrte seine hageren Züge und ließ sein Gesicht eher wie die alptraumhafte Vision eines der Hölle entsprungenen Dämons erscheinen denn als das eines Dieners Gottes.
Die Gestalt verhielt vor einer dicken Holztür und zögerte einen Moment. Dann ballte der Mann die freie Hand zur Faust und schlug zweimal dagegen. Ohne auf eine Antwort zu warten, hob er die eiserne Klinke und trat ein.
Der Raum lag im Dunkeln, denn noch hüllte Nacht die Abtei ein. Er blieb auf der Schwelle stehen und hob die Kerze. In einer Ecke ruhte eine Gestalt auf einem niedrigen Bett, in eine Decke gewickelt. Ihr schwerer, gleichmäßiger Atem verriet dem Mönch, daß sein Klopfen und plötzliches Eintreten den einzigen Bewohner des Raums nicht geweckt hatte.
Er ging zum Bett und stellte die Kerze auf den danebenstehendenTisch. Dann beugte er sich vor und rüttelte den Schläfer kräftig an der Schulter.
»Pater Abt!« rief er laut mit vor Erregung fast brüchiger Stimme. »Pater Abt! Du mußt aufwachen!«
Der Schlafende stöhnte einen Augenblick und kam dann widerwillig zu sich, blinzelte und versuchte im Dämmerlicht etwas zu erkennen.
»Was ...? Wer ...?« Er drehte sich herum und sah zu dem langen Mönch auf, der an seinem Bett stand. Dieser warf seine Kapuze zurück, und das scharfgeschnittene Gesicht des im Schlaf Gestörten verfinsterte sich. »Bruder Madagan. Was ist los?« Mühsam setzte er sich auf und erblickte den Nachthimmel im Fenster. »Was ist denn? Habe ich verschlafen?«
Der hochgewachsene Mönch schüttelte rasch den Kopf. Seine Miene erschien düster im Kerzenschein.
»Nein, Pater Abt. Erst in einer Stunde ruft uns die Glocke zum Morgengebet.«
Das Morgengebet fand zur ersten Stunde des kirchlichen Tages statt. Zu ihm versammelten sich die Brüder der Abtei Imleach und sangen die Lobpsalmen, mit denen die Andachtsübungen des Tages begannen.
Ségdae, der Abt und Bischof von Imleach und der Comarb, also der Nachfolger, des heiligen Ailbe, sank mit gefurchter Stirn auf sein Lager zurück.
»Was ist denn geschehen, daß du mich vor der rechten Zeit weckst?« fragte er ärgerlich.
Bruder Madagan senkte den Kopf bei dem scharf tadelnden Ton des Abts.
»Pater Abt, weißt du, welcher Tag heute ist?«
Ségdae starrte Bruder Madagan an, und seine Verärgerung ging in Verwirrung über.
»Was soll diese Frage und weshalb weckst du mich deswegen? Es ist der Feiertag des Gründers unserer Abtei, des heiligen Ailbe.«
»Vergib mir, Pater Abt. Aber wie du weißt, nehmen wir an diesem Tag die Reliquien des heiligen Ailbe aus unserer Kapelle und tragen sie zu seinem Grab, wo du sie segnest und wir Dankgebete für das Leben Ailbes und seine Bekehrung dieses Teils der Welt zum rechten Glauben sprechen.«
Abt Ségdae zeigte wachsende Ungeduld. »Komm zur Sache, Bruder Madagan, oder hast du mich nur geweckt, um mir zu sagen, was ich längst weiß?«
» Bona cum venia,
mit Verlaub, ich kann das erklären.«
»Dann tu es auch!« fauchte der Abt gereizt. »Und zwar mit guten Gründen.«
»Als Verwalter der Abtei machte ich meinen nächtlichen Rundgang. Dabei ging ich in die Kapelle.« Der Mönch hielt inne, als wolle er seinen Worten einen dramatischen Effekt verleihen. »Pater Abt, das Reliquiar des heiligen Ailbe ist nicht mehr in der Nische, in der es aufbewahrt wurde!«
Abt Ségdae war hellwach und sprang aus dem Bett.
»Ist nicht mehr da? Was soll das heißen?«
»Das Reliquiar ist fort. Verschwunden.«
»Es war doch noch da, als wir zum
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