Donnerstags im Park - Roman
1
»Du solltest nicht so viel trinken«, zischte George, als sie in der warmen Sommernacht auf menschenleeren Gehsteigen nach Hause gingen.
»Es waren bloß drei Gläser«, wehrte sich Jeanie. »Ich bin nicht betrunken.«
Jeanie schloss die Tür auf und betrat die Küche. Es war heiß, sehr heiß für halb elf abends. Sie warf Schlüssel und Handtasche auf den Tisch und öffnete die Terrassentür.
»Peinlich, wie schrill und laut du wirst«, fuhr George fort, als hätte sie nichts gesagt. »Als ob sich irgendjemand für Vitamintests interessieren würde. Wenn du nicht so betrunken gewesen wärst, hättest du gemerkt, dass der Mann sich tödlich gelangweilt hat.«
Jeanie sah ihren Mann schmerzlich berührt von seiner Gehässigkeit an. Er war den ganzen Abend über ungewöhnlich angespannt und bissig gewesen, schon vor ihrem Aufbruch zu Maria und Tony. Kaum hatten sie dort Kaffee getrunken, war George mit der Entschuldigung aufgesprungen, er müsse am folgenden Morgen früh zu einer Sitzung, die ihres Wissens gar nicht stattfand.
»Ich war nicht betrunken, George, und bin es auch jetzt nicht. Er hat mich nach den Tests gefragt«, erklärte sie.
George nahm die Schlüssel, die sie auf den Tisch geworfen hatte, und hängte sie an einen der Haken am Eingang. Über jedem Haken befand sich ein von George beschriftetes Schildchen: George – H, Jeanie – H, George – A, Jeanie – A, Extra – H, Extra – A, für jeden die jeweiligen Haus- und Autoschlüssel.
»Lass uns draußen einen Schlummertrunk nehmen. Es ist zu warm zum Schlafen.« Sie musterte ihren Mann, um festzustellen, ob er ihr verziehen hatte, doch sein Blick hinter der dicken Hornbrille wirkte verkniffen.
»Er dachte sicher, du willst mit ihm flirten«, beharrte George.
»Gütiger Himmel.« Jeanie wurde rot, nicht weil sie ein schlechtes Gewissen gehabt hätte – sie hatte den schmächtigen Mann mit den gelben Zähnen nett, aber alles andere als attraktiv gefunden. Solche Auseinandersetzungen waren ihr zuwider. Jeanie, aufgewachsen in einem feuchten Pfarrhaus in Norfolk, hatte miterleben müssen, wie ihre Mutter die schroffen Anweisungen ihres Vaters ertrug, ohne jemals sein Recht darauf zu hinterfragen. Jeanie hatte stets in Angst vor ihm gelebt, sich jedoch immer gewünscht, ihre Mutter würde einmal aus der Haut fahren und sich gegen ihn wehren. Und sie hatte sich geschworen, sich selbst nie so etwas gefallen zu lassen. In dem sanften George hatte sie keinerlei Ähnlichkeit mit ihrem Vater erkannt.
George hob die Augenbrauen. »Du wirst rot.«
Sie holte tief Luft. »Komm, schenk uns einen Armagnac ein, und lass uns rausgehen zum Abkühlen.« Sie hasste sich für ihren einlenkenden Tonfall. »Du hast ihn doch mit eigenen Augen gesehen«, fügte sie hinzu und trat auf die Terrasse. Plötzlich war sie sehr müde.
»Ich glaube, ich gehe rauf«, sagte er, ohne sich von der Stelle zu bewegen. Unversehens schien er weit, weit weg zu sein und seine Verstimmung wegen der Party vergessen zu haben.
»George … Was ist los?« Bestürzt bemerkte sie eine ihr völlig unbekannte Verzweiflung in seinen braunen Augen. »George?«
Er machte den Mund auf, wandte sich dann jedoch abrupt ab.
»Ist heute irgendetwas vorgefallen?«
»Nein, nein, alles okay. Was sollte denn vorgefallen sein?« Seine Gesichtsmuskeln zuckten, als er zur Treppe ging. »Kommst du?«, murmelte er.
Im Schlafzimmer stand die Hitze trotz des geöffneten Schiebefensters. Als sie aufs Bett sank, wandte George sich ihr zu und ließ einen Finger über ihre Wange und ihren Mund gleiten, bevor er entschlossen ihren Körper zu streicheln begann. Eigentlich hatte sie keine Lust, aber seine Berührung duldete keine Gegenwehr. Das hatte nichts mit Liebe zu tun und auch nichts mit ihr; es hätte jede beliebige Person sein können. Jeanie wurde das merkwürdige Gefühl nicht los, dass sie gar nicht auf diesem heißen, feuchten Laken lagen. Es war eher eine mechanische, anonyme sexuelle Begegnung.
Dann löste George sich unvermittelt von ihr, richtete sich auf und lehnte sich an das Kopfteil des Betts, als wäre ein giftiger Skorpion übers Laken gekrabbelt.
Jeanie blinzelte ihn in der Dunkelheit an. »Was ist denn?«
Ihr Mann stand wortlos auf und schaltete die Nachttischlampe ein. Nackt, die Arme um den Körper geschlungen, sah er seine Frau an. Es kostete sie Mühe, nicht zurückzuweichen, so kalt und leer wirkten seine braunen Augen.
»Ich … kann … nicht.«
Sie streckte die Hand nach
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