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Tod in Seide

Tod in Seide

Titel: Tod in Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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äußerst anstrengende Wochen im Gericht hinter mir hatte und erschöpft war, war ich viel zu aufgewühlt, um heute Nacht gut schlafen zu können. »Schon gut, Mercer. Ich weiß, dass es keinen Sinn hat, sich über das Geschehene den Kopf zu zerbrechen. Mit dem Verstand ist das nicht zu begreifen. Aber danke für dein Mitgefühl.«
    »Wir kriegen ihn, Alex. Auch wenn es jetzt nicht danach aussieht. Aber Chapman und ich, wir werden ihn kriegen. Dem Teufel zum Trotz, Miss Cooper. Dem Teufel zum Trotz.«

2
    Kalte Luft schlug mir entgegen, als ich die Wohnungstür öffnete. Zum Glück hatte ich vergessen, die Klimaanlage herunterzudrehen. Die kühle Luft fühlte sich gut an, während ich ins Schlafzimmer ging, um mein klebriges Kostüm auszuziehen.
    Das grüne Licht meines Anrufbeantworters blinkte. Ich lächelte bei dem Gedanken daran, die Stimme von ein oder zwei Freunden zu hören. Es würde das eben Gesehene etwas erträglicher machen und mir helfen, mich in meinem Zuhause im zwanzigsten Stockwerk eines Hochhauses wieder sicher und geborgen zu fühlen. Ich drückte die Wiedergabetaste und begann mich auszuziehen.
    Ich war schon auf dem Weg unter die Dusche, als ich die Stimme hörte, auf die ich gewartet hatte. Ich ging zurück und setzte mich auf die Bettkante. »Alex? … Alex? … Hier ist Jake …« Es knisterte und rauschte, dann schien die Verbindung ganz abgebrochen zu sein. Doch noch bevor ich mich bewegen konnte, war Jakes Stimme wieder zu hören. »Ich weiß nicht, ob du mich hören kannst … noch in China … und … muss ungefähr neun Uhr bei dir sein. Schade, dass du nicht zu Hause bist …. Bis bald … wollte dir nur sagen, dass …« Ich drückte die Wiederholungstaste. Es waren nur ein paar Wörter, die der Anrufbeantworter aufgezeichnet hatte, aber ich wollte Jacob Tylers Stimme wieder und wieder hören. Wir hatten uns erst vor zwei Monaten kennen gelernt, und es verursachte mir noch immer ein Kribbeln, wenn ich nur seine Stimme hörte. Ich drückte die Speichertaste und ging unter die Dusche.
    Ich streckte mein Gesicht in den heißen Wasserstrahl, der sich über mich ergoss und an meinen Beinen hinunterlief. Als ich nach der Seife griff, blieb mein Blick an einem Fingernagel hängen, an dessen Spitze der Nagellack etwas abgeblättert war. Unwillkürlich schloss ich die Augen und sah die rotlackierten Fingernägel der Toten vor mir. Ich machte die Augen wieder auf, schüttelte den Kopf und zwang mich, nicht mehr an die Leiche auf der Leiter zu denken. Sie würde mich sowieso noch die ganze Nacht verfolgen, das wusste ich aus Erfahrung nur allzu gut. Ich schrubbte mir den Schmutz des Tages von meinem Gesicht und Körper, trocknete mich ab und wickelte mich fest in einen warmen, dicken Frotteebademantel ein.
    Während ich mit einem Handtuch meine Haare trocken rubbelte, hörte ich mir Jakes Nachricht noch einmal an. Wieder lächelte ich, als ich mir ausmalte, was er außer den Wortfetzen, die nicht vom Satelliten verschluckt worden waren, noch gesagt haben könnte. Ich musste unbedingt Nina, meine beste Freundin, anrufen und ihr von Jakes Anruf erzählen. Ich konnte mir denken, was sie sagen würde: »Was hilft es dir, einen Typen zu haben, der Tausende von Kilometern entfernt ist, wenn du ihn jetzt brauchst, damit er dich in die Arme nimmt?«
    Vielleicht sollte ich warten und sie erst morgen anrufen. Sie hatte Recht, was meine Sehnsucht nach Jake anging, aber mit diesen grausigen Bildern in meinem Kopf musste ich schon seit über zehn Jahren zurechtkommen. Die meiste Zeit hatte ich mit Frauen zu tun, die eine tatsächliche oder versuchte Vergewaltigung überlebt hatten und die den Täter vor Gericht zur Strecke bringen würden. Doch nichts war schlimmer als mit eigenen Augen zu sehen, wie das Leben eines Menschen gewaltsam ausgelöscht worden war – in diesem Fall das Leben einer Frau, die ungefähr in meinem Alter und genau wie ich noch voller Hoffnungen und Träume gewesen war.
    Ich trocknete weiter meine Haare und sah auf meine Armbanduhr. In China war es jetzt Vormittag. Ich hatte keine Ahnung, wo Jake gerade war und auch keine dienstliche Nummer, unter der ich ihn dort hätte anrufen können. Ich wünschte mir, dass er jetzt hier wäre. Es war keine Nacht, um allein zu sein.
    Ich hatte Kopfschmerzen, und mein Magen verlangte geräuschvoll nach etwas Essbarem. Ich drückte die Kurzwahltasten für den Feinkostladen an der Ecke, um mir ein Truthahnsandwich zu bestellen. Wenn ich heute schon

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