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Tod von Sweet Mister

Tod von Sweet Mister

Titel: Tod von Sweet Mister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Woodrell
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Stängeln stehen. Die echten Blumen gingen in dieser Hitze kaputt, erstickten, fielen in sich zusammen und vertrockneten; schon bald sahen sie auf den Gräbern aus wie hässlicher Müll.
    Ich schob die Schubkarre an den Reihen vorbei, sah mir die beliebten Gräber an, auf denen sich die Blumen häuften, und rechte die vertrockneten Blüten zusammen, die verbrannt werden sollten. Das war vor dem Mittagessen. Die Sonne hatte noch nicht ihre volle Kraft erreicht, und es ging eine kleine Brise. Ich rollte die Schubkarre auch an den vergessenen Toten vorbei, bei denen nie Blumen standen. Die vergessenen Toten waren keineswegs nur die von ganz früher, und umgekehrt waren auch unter den beliebtesten Toten welche, die schon hundert Jahre oder noch länger fort waren, aber noch immer Besuch von Leuten bekamen, die ihnen Blumensträuße brachten.
    Das Feuerfass, ein großes, rostiges Ding, stand hinter dem Traktorschuppen. Ich zündete erst Papier an, dann warf ich händeweise sommerweißes Gras, Zweige und Äste dazu. Das Feuer wurde schnell größer. Die Flammen schossen züngelnd aus dem Fass. Ich warf Blumen hinein, die ruinierten echten und ein paar von den künstlichen, die nicht mehr nur künstlich aussahen, sondern wie Plastikschrott. Die echten Blumen dämpften die Flammen, die falschen fütterten sie.
    Als ich mit der nächsten vollen Schubkarre zum Feuer zurückkehrte, saß Glenda dort auf einem Stuhl aus dem Haus und hielt ihre Thermoskanne in der Hand. Sie trug ein blaues Kleid, das für glamouröse Abende in feiner Gesellschaft gemacht war. Ihre Füße waren nackt. Sie hatte sich ein wenig die Haare gebürstet.
    »Ich glaube, man sieht langsam deine Muskeln, Schätzchen.«
    »Wirklich?«
    »Da oben an den Armen. Du hast schöne, kräftige Schultern.«
    Ich kippte die Schubkarre zu ihren Füßen aus. Sie berührte den Haufen mit den Zehen. Dann zupfte sie etwas mit gelben Blütenblättern heraus.
    »Glaubst du, das war eine Rose?«
    »Verbrenn das, ich hole noch mehr.«
    Beim nächsten Mal fütterte ich das Feuer mit ein paar Ästen, bevor ich weitere Blumen hineinwarf. Ich brachte die Flammen dazu, bis weit über das Fass zu züngeln. Glenda und ich standen da und streuten die Blumen hinein.
    »Wenn du vor dem Richter stehst«, sagte Glenda, »dann kannst du es auf Red schieben. Du kannst alles Red in die Schuhe schieben.«
    Manche Blumensträuße hatten Bänder, auf denen etwas geschrieben stand.
Segen ewiglich, Ruht in Seinem Schoß, Geliebt
. Ich warf ein Band ins Feuer und hielt es fest, während die Flammen sich auf meine Finger zufraßen.
    »Wird dann nicht die Polizei herumschnüffeln und nach ihm suchen? Die Leute ausfragen?«
    »O Gott.« Glenda ließ sich auf den Stuhl plumpsen, er ächzte. Ich hörte, wie die Thermoskanne geöffnet wurde. »Ich bin so dumm geworden. Ich bin so dumm. In jeder Hinsicht.«
    Als das Band nur noch briefmarkengroß war, ließ ich es ins Fass fallen. Glenda gab auf ihrem Platz sorgenvolle, ängstliche Geräusche von sich.
    »Wir werden kein Geld mehr haben«, sagte sie.
    Ich glaube, ich bin dann wieder mit der Schubkarre zwischen den Gräbern herumgegangen, um Nachschub zu holen. Ich ließ mir Zeit damit, die Reihen abzufahren. Während ich unterwegs war, tauchten drei, vier Besucher auf und legten frische Blumen ab. Ich hielt mich abseits und trödelte. Ich vertrödelte so viel Zeit, dass Glenda barfuß über den Friedhof kam und sich zu mir gesellte. Sie kam näher und legte mir einen Arm über die Schultern.
    »Ich werd schon wieder, Shug. Glaub mir. Ich bin kurz davor, ganz die Alte zu werden.«
    »Wann?«
    »Der Tag wird schon kommen.«
    »Welcher Tag?«
    »Schätzchen, Schätzchen – das ist kein bestimmter Tag. Irgendwann in nächster Zeit.«
    »Du glühst ja.«
    Ein Streifenwagen heulte die Straße entlang, die Blaulichter drehten sich am helllichten Tag, dann folgten ihm zwei Zivilstreifen über den Hügel, irgendwohin.
    Ich schob die nächste Karre mit Blumenresten zum Feuerfass, sie lief hinter mir her. Das trockene weiße Gras fühlte sich unter den Füßen an wie Bartstoppel und machte ein kratziges Geräusch, wenn man darauf trat. Glenda folgte mir stumm, und als wir zum Fass kamen, sagte ich: »Na los, setz dich auf deinen Stuhl. Setz dich.«
    »Deine Muskeln«, sagte sie. »Da konnte man gerade deine Muskeln sehen. Gut sogar.«
    Das Feuer brannte bis weit nach Essenszeit. Auch das Feuer hungerte aus, wurde schwach und fiel zu einer kleinen müden Flamme

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