Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod von Sweet Mister

Tod von Sweet Mister

Titel: Tod von Sweet Mister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Woodrell
Vom Netzwerk:
der ihm das Auge zudrückte. Seine Nasenlöcher waren blutverkrustet. Glenda schien erschüttert zu sein, sie war blass, ihre Haare waren ganz durcheinander. Beide hatten dreckige Flecken an den Knien und schmutzige Hände.
    »Fleischwurst.«
    Er zeigte zur Küche hinüber, sie schaute ihn aus großen Augen verwirrt an und zuckte zwei oder drei Mal mit den Schultern.
    »Fleischwurst?« fragte sie. »Mehr nicht? Na, dann wette ich, du hättest gern einen Snack, nicht wahr, Schätzchen?«
    Ich drehte mich zum Fernseher um. Ich schaute mir an, was auch immer gerade lief. Eine Show.
    »Ich könnte einen Snack vertragen.«

EINE WEILE SCHWANKTEN die normalen Tage. Manchmal dachte ich, das Haus würde zittern. Es war alles ganz normal, aber nichts wirkte normal, und jeden Tag drängten sich Dinge auf, die nicht normal waren. Ein Haus, das zitterte, warf alles ab. Jimmy Vin hielt sich fern und ließ Glenda mit ihren Gedanken allein; sie war ständig betrunken. Jeden Tag wartete sie auf ihn, versuchte zu lächeln, wartete, wurde immer unruhiger, aber er tauchte nicht auf. Noch vor dem Mittag nahm sie ihre silberne Thermoskanne mit ins Schlafzimmer, lag da und fragte ab und zu, ob ich den Thunderbird in der Nähe gesehen hätte.
    »Nein. Hör auf zu fragen.«
    Ich hatte auf dem Friedhof immer was zu tun. Von Unkraut befallene Grabstellen, vor denen ich bisher noch nie gekniet hatte, zupfte ich jetzt fast kahl. Ein paar der ältesten weißen Steine im alten Teil des Friedhofs waren schon lange vor meiner Zeit umgefallen und mit Haufen aus kleineren Steinen abgestützt worden. Die meisten dieser Grabsteine standen schräg. Ich besah mir die kleineren flachen Steine und wie sie aufgestapelt waren, dann schichtete ich sie neu, einfach so, wie ich meinte. Man konnte die Namen immer noch nicht lesen, aber die verwaschenen Steine standen jetzt stolzer da. Manchmal trat ich die Haufen weg, damit alles umfiel, und richtete die Grabsteine wieder auf.
    »Hör auf zu fragen.«
    Ich überlegte, ob Red in der Erde lag und die Würmer schon an seinen weichen Teilen fraßen. Augäpfel, Lippen, Ohren, Zunge. Armeen von Würmern, die seine weichen Teile verschlangen. Würmer, die sich durch Haut und Fleisch bohrten. Oder arbeiteten sie sich noch durch die Erde zu ihm vor? Lag er tief begraben, war er in etwas Festes eingewickelt, das den Vormarsch der gierigen Würmer aufhielt? Oder hatten sie ihn einfach über eine steile Klippe gezogen und zu den Buscheichen und ins Gestrüpp hinabrollen lassen, sodass er an der Luft lag, wo die großen Schnauzen der hungrigen Tiere ihn beschnüffelten und die besten Fleischstücke abfraßen? Und wenn sich die großen Tiere satt gefressen hatten, würden die sich windenden Würmer kommen und sich um die Reste an den Knochen kümmern.
    »Nein, verdammt! Hör auf zu fragen.«

DER ERSTE, DER RED vermisste und es auch sagte, war Basil. Er hatte wegen einer kleinen Angelegenheit, über die er nicht reden wollte, fast eine Woche im städtischen Knast verbracht; einen Tag nachdem sie ihn freigelassen hatten, tauchte er bei unserem Haus auf. Glenda stolperte gerade sturzbetrunken durch die Küche. Sie machte alle Schubladen auf und schaute hinein, fand aber nie, was sie zu suchen meinte, und ließ die Schubladen offen. Sie murmelte bruchstückhafte Sätze und donnerte gegen die Wände. Seit Tagen hatte sie sich nicht mehr gewaschen oder die Bluse gewechselt, und sie sah so schlecht aus, wie es bei ihr möglich war.
    »Armes Mädchen«, sagte Basil, »sie vermisst ihn genauso sehr wie ich.«
    »Sie ist betrunken.«
    Es war Sonnenuntergang, und der Himmel war wie von Fingerfarben durchzogen; die großen Flecken waren rosa.
    »Sie leidet, Shug. Sie leidet richtig.«
    »Sie hat nichts gegessen.«
    Glenda stolperte an uns vorbei, ließ uns stehen wie Baumstümpfe und wankte ins Fernsehzimmer. Wir sahen zu, wie sie die alte graue Couch erreichte und sich hinlegte.
    »Sie leidet so sehr, dass sie nichts essen kann.«
    Basil stand da, die Hände in die Hüften gestützt, und schüttelte traurig den Kopf. Er trug ein gestärktes weißes Hemd und eine schwarze Hose, wie zur Kirche, und er hatte sich rasiert. Seine Haare waren sauber geschnitten und gekämmt. Er war in einem lauten weißen Mustang aufgetaucht, der in die Werkstatt musste, damit die Kolben neu eingestellt wurden.
    »Du siehst vom Knast ganz erfrischt aus«, sagte ich.
    »Ich hab da drin eine neue Seite aufgeschlagen.« Basil grinste linkisch und nickte dann.

Weitere Kostenlose Bücher