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Tod von Sweet Mister

Tod von Sweet Mister

Titel: Tod von Sweet Mister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Woodrell
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»Ich hab mich entschieden, Hampelmänner und so ’n Scheiß zu machen. Im Kreis laufen, Liegestützen. Ich muss mal einen klaren Kopf kriegen – hab sogar mit dem Stoff aufgehört.«
    »Ehrlich? Seit wann?«
    »Morgen sind es zwei Tage. Die sechs Tage im Bau nicht mitgezählt. Die kann man ja nicht rechnen.«
    »Hm«, machte ich. »Kann man nicht.« Glenda schlief mit offenem Mund. Sie schnarchte. »So richtig aufgehört?«
    »Bis ich meinen Partner gefunden habe, ja. Ich werde nicht gerade zum guten Bürger. Das will ich nicht behaupten. Aber ich kann ja nicht Red suchen, wenn ich ständig so zugeknallt bin, dass mein Verstand nur im ersten Gang läuft.«
    »Ich schätze, er ist irgendwo auf Beutezug.«
    »Na ja, Red mag ja sicher mal für ein paar Wochen auf die Jagd gehen, ohne ihr was zu sagen, aber nicht, ohne mir was zu sagen.« Basil nahm eine Schachtel Zigaretten aus der Hemdtasche und klopfte uns zwei heraus. Er hatte ein schweres graues Feuerzeug, das aufklappte und eine große Flamme warf. »Seit der siebten Klasse hat Red nichts Größeres gedreht, ohne dass ich ihm den Rücken freigehalten habe. Seit er so alt war wie du jetzt.«
    Auf dem Friedhof hörte man Stimmen. Kinder mit Hunden jagten andere Kinder mit Hunden über Grabhügel und um Grabsteine herum und zwischen den alten schlafenden Bäumen. Sie holten sich im Dämmerlicht gegenseitig ein, klopften sich ab, dann war der andere dran. Die Hunde jagten den rennenden Kindern hinterher. Aus der Entfernung rief eine Mutter immer wieder nach ihrem Kind, es solle jetzt reinkommen, auf der Stelle, sagt dein Vater, es wird dunkel. Das Kinderlachen war lauter als das Rufen der Mutter.
    »Die Dinge laufen nicht so gut hier«, sagte ich.
    Er roch sogar wie ein neuer, anderer Basil. Er roch nach Seife und Aftershave und Babypuder, glaube ich. Er hatte sich sogar die Haare in den Ohren rauszupfen lassen.
    »Hat Red viel mitgenommen?«
    »Keine Ahnung.«
    »Lass uns mal schauen.«
    Basil ging den Flur entlang zum Schlafzimmer und blickte auf das Durcheinander. Glendas Unterwäsche lag auf dem Boden, wo er sie sehen konnte, dreckige Kleidung und dreckige Teller überall. Bis zum Rand volle Aschenbecher. Es roch nach allem Möglichen. Niemand hatte in letzter Zeit die Laken gewechselt, Schweiß und Flecken bildeten Muster darauf.
    »Himmel, Junge – deine Ma bricht ja völlig auseinander.«
    »Es läuft nicht gut.«
    »Ist die Liebe nicht ein Scheiß? Glenda ist am Boden. Völlig zerstört. Da können einem glatt die Tränen kommen, Mann.«
    Ich ging zum Fernsehzimmer zurück, Basil folgte mir. Er gab uns frische Zigaretten und warf die Flamme an. Jedes Mal, wenn er ausatmete, seufzte er. Glendas Rasseln wurde lauter. Ein paarmal riss es sie von der Couch hoch, als würde ihr ein Angelhaken mit Schnur in der Brust stecken und jemand zöge daran.
    »Ich rolle sie besser aufs Gesicht«, sagte ich. »Nur um sicherzugehen, dass sie nicht auf der Couch erstickt.«
    »Puh! Ich überlass das dir, Junge. Ich schätze, ich muss los. Am besten holst du ihr einen Eimer.«
    »Hab einen unter der Spüle.«
    Basil ging zur Fliegentür, und ich folgte ihm wie ein Schatten. Er sah sich mit klarem Blick um. Selbst seine Körperhaltung war besser.
    »Basil, ich muss sagen, dass du mit dem Stoff aufhörst, ist echt ein Ding.«
    »Ja, nicht? Das ist echt ein Ding. Aber ehrlich – dass ich keinen Stoff zur Hand habe, hilft da ganz ungemein.«
    Die Kinder und Hunde waren immer noch draußen, rannten zwischen den Toten herum und machten glücklichen Lärm. Glühwürmchen hingen blinkend in der Luft, winzige Fledermäuse schossen herab, um sie zu fressen.
    »Ich dreh sie besser auf ihr Gesicht.«
    »Das hört sich verdammt danach an, Junge.«
    Ich holte den Mülleimer und drehte Glenda um. Trockene Spucke pappte ihr den Mund zu, die klebrigen Lippen öffneten sich langsam. Ihre Augenlider flatterten, aber sie schlug die Augen nicht auf. Als das Zucken und Brechen begann, drehte ich ihren Kopf zur Seite und hielt ihr den Eimer unters Kinn. Bei jedem Würgen hüpfte sie auf der Couch. Sie würgte und würgte. Alles, was sie in sich hatte, kam ihr hoch, und ich fing jeden Schwall mit dem Eimer auf und strengte mich sehr an, nicht irgendetwas zu sehen, was ich niemals vergessen würde.

DRAUSSEN NEBEN DEN GRABSTEINEN blühten nur noch die künstlichen Blumen in der sengenden Sonne. Sie wurden zwar von der Hitze ausgebleicht, blieben aber halbwegs gerade auf ihren verblassenden grünen

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