Todesfessel - Franken-Krimi
dich nicht so an und hör auf zu heulen … die Mädchen lachen ja schon über dich … schau Romy an, schau Ines an … Encore une fois! Kalt und unerbittlich setzte das Klavier, das mörderische Klavier ein …
»Nein! Aufhören, Schluss!« Hektisch zog er den alten Rekorder zu sich herüber und drückte mit zitternden Fingern auf Play. Sanfter akustischer Regen setzte ein, das Vorspiel der Doors entspannte ihn, er schnaufte kurz durch.
Endlich – das Lächeln kehrte zurück, sein unvergleichliches rot glänzendes Lächeln … Er schloss die Augen, liebkoste sein langes blondes Haar, bevor er sich von seinem Spiegelbild widerstrebend löste, das unscheinbare braune Fachbuch aufschlug und laut dozierend den Nebenraum betrat:
»›Der Insektenbefall an der frischen Leiche‹ … Mahlzeit, Herr Kommissar! Jetzt riecht’s aber wirklich schon unangenehm, Sie haben doch noch ein paar Tage vor sich … und unsere kleine Ann-Sophie erst … wo ist dein Ausdruck, deine Anmut, deine Perfektion … nur noch ein stinkendes Bündel … voll Schwachheit, Schweiß und Schmerzen …«
Reglos starrte sie ihn aus fiebrig glänzenden Augen an, ein kurzes Zucken, als er seine Hand in ihren Schritt legte, »… nur noch ein, zwei Tage, dann hast du’s geschafft … und sie warten schon auf dich, um auf dir herumzukrabbeln und dich endlich in Besitz zu nehmen: ›Schon nach wenigen Minuten legen sie winzige Eier in Augenwinkel, Nasenlöcher und Mund, besiedeln jede offene Wunde … schnell schlüpfen daraus Maden, die sich durch Haut und Organe fressen … den Schmeißfliegen folgen Käse- und Latrinenfliegen …‹«
* * *
»Ja, Sie haben mich richtig verstanden, Kollege Duschek! Wir brauchen heute noch einmal ein SEK !« Ritter hielt den Hörer mit eiserner Faust umklammert.
Sein Gesprächspartner im PP Mittelfranken am Nürnberger Jakobsplatz, Polizeidirektor Karl Duschek von der PI Spezialeinheiten Nordbayern, zeigte sich wenig beeindruckt.
»Also, Kollege Ritter, bei allem Respekt – jetzt haben wir vor drei Stunden erst eine Riesenshow abgezogen, nur um ein harmloses Schwulen- oder meinetwegen Transenpärchen aufzuschrecken, was steht denn jetzt im Raum? Hod noch aaner sein Kuldurbeudl im Hotel lienggelassen? Nix für ungut, Kollech, aber ich maan – des sin doch alles Steuergelder!«
Ritters Griff um den Hörer wurde noch fester, sein Tonfall fast beschwörend. »Unbestritten, Kollege Duschek, unbestritten! Und Ihr Einsatz heute Nachmittag in Hirschaid war keineswegs für die Katz! Die Uhr tickt, wir müssen Ann-Sophie Langenau finden, und dieser Henze, den das SEK heute rausgeholt hat, hat uns einen entscheidenden Tipp gegeben. Der mutmaßliche Entführer kann sich nach unseren Erkenntnissen nur in einer großen alten Villa – kennen Sie sich in Coburg aus? Ein bisschen? – am Festungsberg aufhalten.«
»Und dort hält er auch die Ann-Sophie gefangen?« Duschek blieb skeptisch. »Sind Sie sicher?«
Ritter wand sich. »Wir haben sein gesamtes Umfeld kontrolliert, er hat keinen Zweitwohnsitz oder privaten Unterschlupf. Auch die Hausdurchsuchung am Arbeitsplatz, der hervorragende Verstecke geboten hätte, war negativ. Ann-Sophie kann aus unserer Sicht nur in dem großen alten Kasten sein.«
»Wer wohnt dort noch?«
»Seine Mutter und dieser Henze. Beide sind willensstark, bisweilen etwas lebensfremd und häufig außer Haus.« Kurzes Schweigen am andern Ende.
»Also gut, Kollege.« Duschek gab sich einen Ruck. »Mei klaane Nichte, die Kimberly, geht schließlich auch ganz stolz ins Ballett … Also was habt ihr konkret vor?«
Ritters Miene entspannte sich, ebenso sein Griff um den Telefonhörer. » SEK -Unterstützung und kombinierter Einsatz … Moment, wann ist heute Sonnenuntergang … achtzehn neunundfünfzig … also neunzehn dreißig Festnahme von Aron Steve Preile, Hausdurchsuchung und Befreiung der Geiseln.«
»Neunzehn dreißig? Dann brauch ich sofort per E-Mail einen Fünfhunderter-Lageplan, die Personalien aller Bewohner und möglichst aktuelle Fotos, auch von Ann-Sophie. Moment … Sie sagen Geiseln? Haben wir mehrere?«
»Könnte sein … top secret , Kollege, höchste Stufe: Seit gestern Nacht ist unser SOKO -Leiter, Kriminalkommissar Charly Herrmann, spurlos verschwunden!«
»Kein Blutbad«, bekräftigte Dr. Stein zum wiederholten Mal, »ich will kein Blutbad in Coburg haben, auf keiner Seite!«
»Warum sollte es ein Blutbad geben?« Ritter, der den Einsatz regelrecht herbeisehnte, war jetzt
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