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Todesfrist

Todesfrist

Titel: Todesfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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aus dem Regenmeer.
    Der Wind peitschte die Tropfen beinahe waagerecht über das Dach, sodass sie wie Nadeln auf Sabines Wangen stachen. Binnen Sekunden war ihr Thermopulli mit Wasser so vollgesogen, dass er wie ein Sack an ihr hing. Noch dazu sah sie nichts. Sneijders Lampe war ausgeschaltet, und sie hatte keine Ahnung, wo sie sich befand.
    Stehen bleiben …
    Der Wind trieb Stimmen zu ihr. Intuitiv bewegte sie sich darauf zu. Die Nagelpistole mit Druckluftkartusche und Munitionsrolle lag schwer in ihrer Hand.
    Die Stimmen wurden lauter. Am Rand des Daches, auf einer abschüssigen Stelle, an der sich die Dachrinne befand, stand Carl Boni. Er trug einen dunklen Pullover. Der Wind zerrte an der Kapuze und wirbelte sein Haar auf. Drei Meter vor ihm stand Sneijder, die Glock mit beiden Händen auf ihn richtend. Carl schob sich mit kleinen Schritten an der Dachrinne entlang.
    »Keine Bewegung!«, rief Sneijder.
    Carl ignorierte den Befehl und bewegte sich weiter. Beim nächsten Blitz erkannte Sabine den Grund. In etwa zwei Metern Entfernung ragte der Handlauf einer Feuerleiter über das Dach. Obwohl eine Waffe auf ihn gerichtet war, wollte er abhauen.
    Sie näherte sich Carl von der anderen Seite und riss die schwere Nagelpistole hoch. »Bleib stehen, du verdammter Hurensohn!«
    Carl drehte den Kopf zu ihr. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Sneijder sich nicht bewegte. Er behielt Carl im Visier, ohne den Blick von ihm zu nehmen.

    »Wen haben wir denn hier?«, rief Carl spöttisch.
    »Sagt Ihnen der Name Hanna Nemez etwas?«
    »Und ob!«, rief er aus. »Sind Sie etwa eine ihrer Gören?« Er kniff die Augen zusammen. »Die mit dem Eisbecher in der Hand auf den Schultern Ihres Vaters? War der Urlaub am Meer schön?«
    Der Mistkerl hatte die Fotos auf der Kommode ihrer Mutter noch gut in Erinnerung. Die Nagelpistole war verdammt schwer. Sabine spürte Schmerzen in der Schulter. Dennoch hielt sie die Pistole weiterhin auf Carls Kopf gerichtet. Sie könnte jetzt abdrücken. Vielleicht zog die Flugbahn nach unten – dann würde sie ihn zumindest im Kehlkopf oder in der Brust treffen.
    »Was für eine Familie«, stellte Carl fest. »Ihre Mutter hat verdient, was sie bekam. Leider dauerte es nicht sehr lange.«
    Rede nur weiter, du Schwachkopf! Sabines Finger zog sich um den Abzugshebel. Sie spürte den Widerstand. Nur noch ein kleiner Ruck, dann würde der Nagel wie ein Projektil durch den Lauf schießen.
    Sneijder trat an ihre Seite. »Sabine«, sagte er sanft. »Ich habe ihn im Visier. Legen Sie das Gerät weg. Jetzt!«
    Carl schob sich wieder einen Schritt näher zur Feuerleiter. Sabine zielte etwas nach oben und drückte ab. Mit einem Zischen flog der Nagel aus dem Lauf und erwischte Carl am Ohr. Er taumelte. Im Reflex fasste er sich mit der Hand an die Wange.
    »Ich sagte: stehen bleiben!«, rief sie.
    »Eichkätzchen! Runter damit!«, beharrte Sneijder.
    »Nein.«
    Sie hatte nicht so viele Risiken auf sich genommen, zahlreiche Dienstvorschriften gebrochen und war nicht so weit gereist, um jetzt zuzusehen, wie der Mörder ihrer Mutter über die Feuerleiter entkam. Nur weil Sneijder nicht den Mumm besaß abzudrücken. Sie konnte Carl nicht ungeschoren abhauen lassen, nachdem er all den Frauen so viel Leid angetan hatte.
    »Wie Sie wollen«, sagte Sneijder.
    Ein fürchterlicher Donner krachte über die Dächer. Aus dem
Augenwinkel sah sie, dass Sneijder ihr die Waffe hinhielt. »Wenn Sie es tun müssen, dann mit meiner Dienstwaffe.«
    Hatte er das tatsächlich vorgeschlagen? Sie griff nach der Glock und ließ gleichzeitig die Nagelpistole sinken. Als das Werkzeug zu Boden fiel, hatte sie Carl bereits wieder im Visier. Sie machte zwei Schritte auf ihn zu. Knapp zwei Meter trennten sie voneinander. Kimme und Korn lagen zwischen seinen Augen.
    Carls Blick zuckte hektisch herum. »Was wird das?«
    Sie spürte Sneijder direkt hinter sich. »Ich verstehe Sie«, flüsterte er. »Wir beide sind uns ähnlich. Sie wollen den Mord an Ihrer Mutter rächen.«
    »Seien Sie still!« Sabine musste einen klaren Kopf bewahren. Dieser Bastard hat Mutter an die Domorgel gekettet und ihr einen Schlauch in die Lunge gezwängt! Sie ist jämmerlich an zwei Litern Tinte ertrunken!
    Sie trat einen Schritt vor. Ihr Finger presste sich um den Abzug. Er hat so vielen Frauen das Leben genommen und seine eigene Mutter bei lebendigem Leib in eine Betonsäule eingemauert und dort zwei Monate lang gefangen gehalten! Dieser Wahnsinnige hat nichts anderes

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