Todeskette
Gegensprechanlage sagen, als ihn aus dem Lautsprecher eine glasharte Männerstimme begrüßte. »Mr. Tweed, Miss Grey, willkommen in Hengistbury.«
Wie von Geisterhand schwangen die Flügel des Tores lautlos nach innen und schlossen sich wieder, sobald Tweeds Wagen auf dem Gelände war.
»Das ist eines der schönsten elisabethanischen Herrenhäuser in ganz England«, sagte Tweed zu Paula.
»Ja, es ist wirklich sehr beeindruckend. Ebenso wie der Park.«
Beiderseits der Auffahrt erstreckten sich makellose sattgrüne Rasenflächen, und linker Hand befand sich ein großzügiger Springbrunnen mit mehreren Fontänen. Rechts davon vollzog sich der Übergang vom Landschaftsgarten zum finsteren Nadelwald noch innerhalb der Parkmauern so plötzlich, dass Paula es als ziemlich bedrohlich empfand.
Tweed bemerkte ihre Miene und sagte mit aufgeräumter Stimme: »Kein Grund zur Sorge, Paula.«
»Da wäre ich mir mal nicht so sicher«, erwiderte Paula, während ihr ein leiser Schauder über den Rücken lief.
2
Am Ende der Auffahrt stellte Tweed den Wagen hinter einer schwarz glänzenden Stretchlimousine ab, neben der ein uniformierter Chauffeur Wache hielt und die Neuankömmlinge keines Blickes würdigte. Über eine breite marmorne Freitreppe stiegen Tweed und Paula zu der Terrasse hinauf, die sich die ganze Länge des Hauses entlangzog.
Im Eingang von Hengistbury Manor, einer großen Zweiflügeltür aus dunkelbraunem Mahagoni, erwartete sie bereits ein groß gewachsener, gut aussehender Mann Mitte dreißig. Er trug ein Hemd mit hohem, steifem Kragen und einen schwarzen Frack, der ihm fast bis an die Knie reichte.
»Mr. Tweed, Miss Grey, es ist mir eine Ehre, Sie auf Hengistbury Manor willkommen zu heißen. Mein Name ist Snape, und ich bin hier der Butler.«
Tweed erkannte seine Stimme sofort als die, die er über die Gegensprechanlage gehört hatte.
»Sieht aus wie ein Pinguin«, flüsterte Paula Tweed zu.
»Und er bewegt sich auch wie einer!«, erwiderte Tweed, während sie dem steif voranschreitenden Butler in eine riesige Empfangshalle mit altem Parkettboden folgten. Snape führte sie zu einer von drei Türen, die ebenfalls aus Mahagoni waren, und blieb, die Klinke in der Hand, davor stehen.
»Mrs. Bella Main bittet Sie um Entschuldigung, aber ein wichtiger Kunde hat ihr unangemeldet einen Besuch abgestattet«, sagte der Butler in missbilligendem Ton. »Hoffen wir, dass es nicht allzu lange dauern wird.
Wenn Sie inzwischen vielleicht so freundlich wären, in der Bibliothek zu warten…«
Er öffnete die Tür und führte Tweed und Paula in einen großen Raum mit hohen Regalen voller Bücher. In einem offenen Kamin prasselte ein munteres Feuer, dessen Wärme Paula sehr willkommen war und die einzige Beleuchtung des Raumes bildete, durch dessen schmale Fenster nur sehr wenig Tageslicht hereindrang.
Aus einem Sessel neben dem Kamin erhob sich ein Mann und kam mit raschen Schritten auf Tweed und Paula zu. Er trug einen teuren Nadelstreifenanzug und ein weißes Hemd mit goldenen Manschettenknöpfen sowie eine Chanel-Krawatte. Mit einem freundlichen Lächeln auf seinem Gesicht, dessen vorspringendes Kinn ihm einen energischen Ausdruck verlieh, wandte er sich an die beiden Neuankömmlinge.
»Ich bin Marshal Main, der Geschäftsführer der Bank. Sie sind mit Abstand die interessantesten Besucher, die wir seit Langem hier hatten.«
»Tatsächlich?«, fragte Tweed, während Main ihm und Paula die Hand gab.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Wir haben alles, was Sie wünschen.«
»Dann hätte ich gern einen Kaffee«, erwiderte Tweed.
»Ich bitte auch«, sagte Paula.
»Milch? Zucker?«, fragte Snape, der noch immer hinter ihnen stand.
»Für mich bitte schwarz wie die Sünde«, antwortete Tweed.
»Für mich auch«, sagte Paula.
»Wenn Sie die Sünde lieben, dann sind Sie hier bei uns genau richtig«, sagte Main und brach in schallendes Gelächter aus. »Aber nehmen Sie doch bitte Platz.« Er nahm Paula am Arm und führte sie zu der Sitzgruppe am Kamin, was Paula ziemlich aufdringlich fand. Erst als sie und Tweed in zwei Sesseln am Kamin Platz genommen hatten, bemerkte sie im Halbdunkel der Bibliothek eine Frau, die hinter einem Stuhl mit hoher, gerader Lehne stand und sie aufmerksam musterte.
Die Frau mochte wohl Ende dreißig sein, hatte eine schlanke Figur und schwarzes, sorgfältig frisiertes Haar, das ihr bis auf die Schultern fiel. Ihr Gesicht war perfekt geschnitten, mit einer geraden,
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