dabei bezog sich der Gallup-Bericht nur auf die Printmedien und ließ die Abertausenden von Fernsehreportagen, Rundfunkinterviews und Internettraktaten außen vor, die mit ihren Angst erregenden Spekulationen die ohnehin überfütterten Köpfe der Menschen anfüllten.
Der leger gekleidete, dunkelhäutige Mann, der gerade im Wartebereich der Luftfahrtgesellschaft Virgin Atlantic Platz nahm, kannte diese Zahlen auswendig. Trotzdem las er die beiden Artikel, die im neuesten Guardian darüber erschienen waren, eingehend. Er war Mitte dreißig, über einen Meter fünfundachtzig groß, athletisch gebaut und wirkte sportlich. Auffällig war sein von einem Ohr zum anderen reichender, scharf ausrasierter Bart, der das Gesicht einrahmte. Die obere Gesichtshälfte wurde von den dunklen Gläsern seiner seitlich herumgezogenen Sonnenbrille verborgen. Einem flachen Koffer entnahm er ein Netbook sowie einen sonderbaren Stift, den er über einen USB -Anschluss mit dem Rechner verband. Er schaltete ihn ein, legte die Zeitung auf den Koffer und fuhr die beiden Artikel mit dem Stift Zeile für Zeile ab.
Der Lichtstrahl, der bei jeder Bewegung von dem Stift ausging, schien den sieben- oder achtjährigen Jungen, der sich in seiner Nähe aufhielt, förmlich zu bannen. Aufmerksam sah er zu, wie die auf diese Weise eingefangenen Wörter eins nach dem anderen auf dem hellen Bildschirm auftauchten.
»Was ist das? Ein Spionagestift?«, fragte er.
»Lass den Herrn in Ruhe, Jimmy.«
Eine elegant gekleidete Blondine mit Haarknoten, offensichtlich die Mutter, zog den Jungen am Arm so weit wie möglich von dem Bartträger fort, dem die Herkunft aus dem Mittleren Osten deutlich anzusehen war.
Mit liebenswürdigem Lächeln sagte er: »Das ist ein Handscanner, mein Junge.«
»Können Sie damit alle Wörter kopieren?«
»Ja, in eine E-Mail und sofort abschicken. So, siehst du?«
Tatsächlich brauchte er lediglich den Namen des Empfängers –
[email protected] – sowie den Betreff einzusetzen und den Text aus der Zwischenablage abzurufen. Dann verharrten seine Finger zögernd über der Tastatur.
»Worum geht es da?«
Der neugierige Junge, dessen Worte wie ein Echo dieses Zögerns waren, strebte von der Hand seiner Mutter fort.
Verlegen murmelte diese eine ebenso höfliche wie unaufrichtige Entschuldigung und rief dann: »Komm jetzt!«
Ihr Blick wurde noch besorgter und der Griff ihrer Hand um den Arm ihres Sohnes noch fester, als sie sah, was der Mann da schrieb, auch wenn sie kein Wort davon verstand:.
Ihr war klar, dass es lächerlich klischeehaft war, auf diese Weise zu reagieren, geradezu diskriminierend, so, als bilde sich in ihrem Kopf die Gleichung »Flugzeug + Araber = Gefahr«. Als der Bärtige auf »Senden« klickte, durchfuhr sie ein Zittern, als hätte er auf den Knopf gedrückt, der eine Rakete abf…
»Die Passagiere des Flugs Virgin Atlantic VS 118 nach New York JFK werden gebeten, sich zur Abfertigung und Sicherheitskontrolle zu begeben. Ich wiederhole …«
Die Durchsage schien die Blondine zu beruhigen. Sie lieferte ihr einen ausgezeichneten Grund, mit dem Jungen fortzugehen, ohne einen Vorwand suchen zu müssen.
Sie erbleichte jedoch, als der Mann, der seinen Rechner zugeklappt und im Aktenkoffer verstaut hatte, mit einem Ruck aufstand und Jimmy zurief: »Fliegst du auch nach New York? Du wirst sehen, das ist eine Stadt voller Wunder!«
Mutter und Kind waren bereits in der Menge verschwunden, die sich vor den Sicherheitsschleusen drängte. Während der Mann den Blick gelassen und aufmerksam über die Menge schweifen ließ, tauchte hinter ihm eine mittelgroße Frau mit ungewöhnlich langen dunklen Haaren auf, deren cremefarbener, eng anliegender Pullover ihren Busen überdeutlich zur Geltung brachte, und strich ihm mit liebevoller Hand über den muskulösen Körper. Ohne ein Wort zu sagen, küsste er sie zerstreut auf die Stirn und nahm seinen Aktenkoffer auf. Es war sein einziges Gepäckstück.
Die Bodenstewardess warf beim Einchecken einen erstaunten Blick auf das Paar, das lediglich mit Handgepäck reiste. Es erschien ihr verdächtig, wie beharrlich der Mann darauf bestand, unbedingt in der ersten Reihe zu sitzen. »Ich habe lange Beine, die bringe ich zwischen den Sitzreihen nicht unter«, rechtfertigte er seinen Wunsch. Nachdem die beiden gegangen waren, setzte sie ihre Vorgesetzte unauffällig von ihrem Verdacht in Kenntnis, welche die Meldung an den Leiter der Sicherheitskontrolle weitergab. Daraufhin