Todesmuster
Wahnsinn. Das muss der Raum von heute Morgen gewesen sein. Ist von seinem Alten an der Kellerdecke aufgehängt worden.
Strafanzeige, 16.08.73
Tatort, Tatzeit, Straftat, Beschuldigt.
Alles wie gehabt.
Am 17.08.73, gegen 11.15 Uhr, wurde durch den 12/23 mitgeteilt …
Das ist bekannt.
Zur Person:
Jetzt uninteressant.
Sachverhalt
Aufgrund des psychischen Zustandes des Holger Gabriel wurde zunächst auf eine zeugenschaftliche Vernehmung verzichtet und lediglich eine Anhörung durchgeführt.
Bei dieser gab der Zeuge an, am Tattag habe sein Vater wie jeden Tag schon am Morgen begonnen, intensiv Alkohol zu trinken. Als seine Mutter, die geschädigte Edith Gabriel, seinem im Keller vom Vater seit dem Vortag eingesperrten Bruder, dem geschädigten Birger Gabriel, etwas zu essen geben wollte, sei sie vom Vater dabei überrascht worden. Zwischen seinen Eltern habe es wie häufig einen heftigen Streit gegeben, in dessen Verlauf der Vater die Mutter geschlagen habe. Als diese sich habe wehren wollen, habe der Beschuldigte ein Einmachglas genommen und es auf dem Kopf der Mutter zertrümmert. Diese habe sich noch die Kellertreppe hochschleppen können, sei dann aber in der Diele liegen geblieben.
Er habe dann in einem unbeobachteten Augenblick den Krankenwagen angerufen.
Gewalttaten des Vaters, so der Junge weiter, seien eigentlich an der Tagesordnung gewesen, wobei die Mutter und speziell sein Bruder Ziel dieser Gewalt gewesen seien. Auch sei sein Bruder vom Beschuldigten häufiger in den besagten Kellerraum gesperrt und dort geschlagen worden. Dieses Mal sei es aber besonders schlimm gewesen. Nach Angaben des Zeugen sei der geschädigte Birger Gabriel seit dem 15.08. in dem Raum eingesperrt gewesen. Ob sich sein Bruder die ganze Zeit in dieser »aufgehängten« Lage befunden habe, könne er nicht sagen, da der Vater unter Androhung von Gewalt verboten habe, zu dem Kind zu gehen. Der Versuch der Mutter sei der erste in den zwei Tagen gewesen.
Er selber, so das Kind weiter, bekomme vom Vater auch schon mal »eine ab«, Hauptzielscheibe der väterlichen Gewalt sei aber sein jüngerer Bruder. Warum das so sei, darüber wolle er nichts sagen.
Detert, KHK’in
Vermerk, 16.08.73
Die Anhörung wurde in Anwesenheit der Diplom-Psychologin Dorothea Knoll und von Frau Heike Hegenbarth, beide vom städtischen Jugendamt, durchgeführt, in deren Obhut der Junge anschließend übergeben wurde.
Der Zeuge
Holger Gabriel, weitere Pers. bekannt,
machte bei der heutigen Anhörung einen mitgenommenen, aber stabilen Eindruck. Er schilderte das Erlebte mit persönlicher Betroffenheit, aber glaubhaft.
Detert, KHK’in
Städtisches Jugendamt, 17.08.73
Bericht
Am 18.0873 … Polizei … Holger Gabriel … Mutter … Kreiskrankenhaus … Alkohol … Bruder … Kellerraum … Vater … Verletzungen … Zeuge … übergeben. Der Junge wurde zunächst im Matthäushaus unterge bracht.
Hegenbarth, RAnge
Haben sie ihn erst mal im Heim geparkt. Was ist mit Birger passiert? Daher hat die Mutter diese Lähmung. Einmachglas auf den Schädel … Dass die das überlebt hat.
Städtisches Jugendamt, 28.08.73
Bericht
Der am 15.08.73 von der Polizei befreite
Birger Gabriel, 03.11.63 Köln,
ist seit diesem Tag stationär auf der Kinderstation des hiesigen Kreiskrankenhaus untergebracht. Er wird seither täglich von mir und Frau Dipl. Psych. Knoll betreut.
Die zahlreichen festgestellten Verletzungen sind mittlerweile gut verheilt, und nach Angaben des Leitenden Oberarztes, Dr. Hartmut Brönner, sind aus diesen Verletzungen keine bleibenden körperlichen Schäden zu erwarten. Man habe das Kind aber in den letzten Tagen einer ein gehenden Diagnose unterzogen und dabei festgestellt, dass der linke Oberschenkel, zwei Rippen sowie die linke Speiche und der Unterkiefer alte, bereits verheilte Frakturen aufweisen. Die Frakturen am Bein und an den Rippen könnten möglicherweise sogar aus dem Säuglings alter stammen.
Außerdem habe man bei mehreren inneren Organen schlecht verheilte alte Verletzungen entdecken können, deren Schäden z.T. irreversibel seien. Darüber hinaus wiesen zahlreiche Narben auf eine Serie von Verletzungen im Laufe der Jahre hin. Momentan sei der körperliche Zustand des Kindes zufrieden stellend, es leide seit zwei Tagen jedoch verstärkt unter einer Alopezie, d.h. unter starkem Haarausfall, wofür es keine medizinisch erkennbare Indikation gebe.
Der Bericht des Arztes ist
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