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Todesmuster

Todesmuster

Titel: Todesmuster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Horst
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beigefügt.
    Hegenbarth, RAng
     
    Da ist der Bericht. Hat sie auch mitkopiert. Nur Medizinerchinesisch.
     
    Städtisches Jugendamt, 19.09.73
    Bericht
    In dem angestrebten Verfahren zum Entzug der Erzie hungsberechtigung gegen den Arbeiter
    Maximilian Gabriel, 01.05.35,
    und die Hausfrau
    Edith Gabriel, geb. Lutzmann, 14.03.38,
    stellt sich der Sachverhalt nach eingehenden Befragungen der Kinder und im privaten und schulischen Umfeld zum jetzigen Zeitpunkt folgendermaßen dar:
    Die Familie lebt seit 1968 im Haus Wiesengrund 8. Sie hatte wenig soziale Kontakte im Ort, auch Freundschaften der Kinder wurden vom Vater in der Vergangenheit stets unterbunden.
    Dieser hat schon vor der Geburt der Kinder getrunken, die Trunksucht ist aber im Verlauf der Jahre stets schlimmer geworden. Außerdem litt die Familie unter den Gewaltausbrüchen des Vaters, welche sich gegen alle Familienmitglieder richteten. Häufigstes Ziel der mitunter unvorstellbaren Gewaltakte war jedoch seit der frühesten Kindheit der zweite Sohn Birger.
    Da die Mutter der beiden nach dem Aufwachen aus dem Koma noch nicht befragt werden konnte und beide Kinder sich nicht zu diesem Punkt äußerten, war hier die einzige Informationsquelle die in Köln lebende Halbschwester der Mutter, Frau
    Liselotte Schmitz, geb. Lutzmann, 15.08.40.
    Danach hat der G. bereits kurz nach der Geburt seine Frau bezichtigt, ihn betrogen und ihm den Jungen »untergeschoben« zu haben. Neben diffusen allgemeinen Verdächtigungen habe er als Beweis für seine Annahme in erster Linie die weißblonden Haare des Jungen angesehen, da in seiner Familie und in der Familie der Frau alle Verwandten dunkelhaarig seien.
    Die Zeugin Schmitz gab an, sie habe, als die Familie noch in Köln gelebt habe, einige Male mitbekommen, wie Maximilian G. seinen Sohn schwer misshandelt habe. Dabei habe er ihn stets mit dem Wort »Engelhaar« bezeichnet, was in diesem Fall als Schimpfwort gemeint war. Sie habe nur einmal eingegriffen, als G. seinem Sohn nach dem Haarewaschen die Haare zwischen die Walzen einer Wringvorrichtung, mit der man Lappen auswringt, gesteckt habe. Dann habe er so lange gedreht, bis sich Haarwurzeln aus der Kopfhaut gelöst hätten. Bei dieser Aktion sei sie damals dazwischengegangen, G. habe ihr jedoch mehrere Schläge versetzt, sodass sie drei Tage im Krankenhaus habe verbringen müssen. Weiterhin …
     
    Überm Horizont sind die Kondensstreifen von vier Flugzeugen zu erkennen. Fünf. Noch einer, sechs. Ist ja wieder mächtig was los da oben.
    Er ist wieder zurückgekehrt.
    Das müssen sich die anderen ansehen.
    Engelhaar …
    10 Uhr 29
    Edda feuchtet die Finger an, blättert, zwischendrin immer wieder leichtes Kopfschütteln. Noch einmal Finger lecken, blättern, Kopfschütteln. Ernst dahinter, liest mit, keine Regung im Gesicht.
    Sie lässt die Akte sinken. »Ist ja fast nicht zu glauben, diese Parallelen.« Sieht wieder hinein.
    »Den Rest kannst du dir schenken, fast nur noch die Gerichtsurteile. Entzug der Erziehungsberechtigung, Adoption und so weiter.«
    »Er hat nur ein Muster kopiert.«
    »… und zu Ende geführt.«
    »Bitte.«
    »Kopiert und zu Ende geführt. Er hat es vollendet.«
    Sie klappt die Akte zu.
    »Augenblick noch.« Ernst nimmt ihr die Papiere aus der Hand, blättert, sucht.
    Edda wartet.
    Er legt die Akte auf den Schreibtisch. »Also, was haltet ihr von der Idee? Habe ich so ähnlich schon einmal gemacht, da hat es funktioniert. Wer so eine Fassade aufbaut, muss rasenden Druck haben. Sobald man ein Loch gerissen hat, bricht es los. Manchmal.«
    Eigenwillige Theorie. Er muss es ja wissen. Soll er machen.
    Eddas Mimik sendet Zustimmung. »Ich halte die Idee für gut, Konni. Der zieht jetzt seit ’ner Stunde dasselbe ab wie gestern, darum lass es uns einfach probieren, wir können nichts dabei verlieren. Sagen wir in fünf Minuten?«
    Ernst ist einverstanden.
    Sie steht auf, drückt die Klinke. »Ich informiere Klaus«, bleibt in der Tür stehen, dreht sich um. »Wie überlebt man so eine Kindheit, muss man da nicht Leute umbringen?« Edda sieht müde aus heute Morgen.
    »Wie hast du dir das genau gedacht, Ernst?«
    »In einer Minute erklär ich’s dir, nur grad zur Toilette.« Eiliger Schritt.
    Draußen ein riesiger Wolkenturm, sieht aus wie … wie gar nichts. Engelhaar. Jahrelang immer wieder eingesperrt, in dieser Zelle. Der Alte kommt nach Hause, besoffen, der ist immer besoffen. Angst. Verstecken, auf dem Boden, im Schrank. Der Alte brüllt,

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