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Todesnähe

Todesnähe

Titel: Todesnähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. J. Tracy
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Hass aus jedem ihrer Blicke sprach. Solche Gestalten versetzten Joe wieder zurück nach Bagdad, in jene schrecklichen Tage, als man vor solchen hasserfüllten Blicken ständig auf der Hut sein musste. In der Regel bedeuteten sie, dass man gleich abgeknallt wurde. Aber dazwischen gab es auch eifrige Studenten, kichernde Kinder, die herumsausten wie aufgezogen, und hochgewachsene, umwerfend schöne Äthiopierinnen in traditionellen Gewändern, neben denen praktisch jeder blass und alltäglich wirkte. Lauter Lämmer auf einem Feld, auf dem sich einige wenige giftige Schlangen tummelten.
    Heute suchten die meisten Leute Zuflucht in den klimatisierten Läden, doch die wenigen, die ihm draußen begegneten, musterten ihn neugierig. Das war er inzwischen gewohnt. Die Chemo hatte ihn mit seinen eins achtzig auf achtundsechzig Kilo zusammengeschmolzen, er war komplett kahl, die Haut fahl und schlaff, und jetzt lief ihm auch noch der Schweiß in Strömen herab. Eine Frau blieb sogar stehen und fasste ihn am Arm. «Alles in Ordnung, Sir? Brauchen Sie Hilfe?»
    Joe hielt inne, um wieder zu Atem zu kommen, und wischte sich die Stirn. Die Frau trug einen langen knallroten Schal mit lauter kleinen Perlen, das fand er großartig. «Danke, es geht schon. Mir ist nur etwas heiß. Lieb, dass Sie fragen.»
    Da kam er aus einem Krankenhaus, wo die Leute sich nicht mal trauten, ihm in die Augen zu sehen, und eine Wildfremde zeigte sich so besorgt, dass sie ihn sogar anfasste und sich nach seinem Befinden erkundigte. Das gab Joe ein klein wenig Auftrieb, und er ging etwas schneller.
    Auf halbem Weg zurück zum Krankenhaus kam er zu der Seitenstraße und bog nach links ab. Der Schweiß lief ihm inzwischen in die Augen, und seine Beine fühlten sich an wie verkochte Nudeln, doch er hielt durch. Er ging noch zwei Blocks weiter, überquerte eine Straße, und da stand das Haus mit der unverputzten Veranda, dem keuchenden, rasselnden Ventilator am Fenster und den billigen, festverschlossenen Jalousien.
Vorsicht
, ermahnte er sich.
Pass bloß auf
.
    Er trat auf die Veranda, als wäre es das Normalste der Welt, öffnete die Tür, ging hinein und schloss die Tür wieder hinter sich. Zwei Männer sprangen erschrocken von einem durchgesessenen Sofa auf, als er eintrat, dann zögerten sie, musterten ihn genauer.
    «Bist du krank?», fragte der eine.
    Noch mehr Zuwendung? Von diesen beiden? Fast hätte ihn das zurückgehalten. Aber nur fast.
    Er nickte keuchend und lehnte sich kurz an den Türrahmen, dann griff er in seine Kühltasche und zog die leere Wasserflasche heraus, mitsamt der Waffe, über deren Lauf er sie gestülpt hatte.
    Zwei rasche, gezielte Schüsse, einer in jede Stirn, und die Männer sackten in sich zusammen. Der erste Schuss war noch kaum zu hören gewesen, der zweite klang natürlich lauter, da war die Flasche ja schon kaputt; aber der Ventilator am Fenster übertönte den Knall bestens.
    Für den Weg zurück zum Parkdeck brauchte Joe deutlich länger. Er war erschöpft. Vor allem aber hatte er es nicht besonders eilig, nach Hause zu kommen und Beth zu erzählen, was der Arzt gesagt hatte.

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KAPITEL 6
    D etective Magozzi hatte die Nachbarschaftsbefragung im Viertel von Bad Heart Bulls Vorgesetztem absegnen lassen. Der Mann hatte vierundzwanzig Dienstjahre auf dem Buckel und war nur allzu gern bereit, so viel Verantwortung wie möglich auf seine Untergebenen abzuwälzen, während er die letzten Monate bis zu seiner Pensionierung absaß.
    Dein Revier, Bully, und deine Befragung. Du steckst das Gebiet ab, und ich besorg dir die nötigen Leute.
    Um die Nebenstraßen rund um die Riverside Avenue mit ihm abzulaufen, hatte Bad Heart Bull sich für einen Frischling entschieden, der noch kein Jahr bei der Truppe war – hauptsächlich deshalb, weil er so nett und harmlos wirkte. Wenn man mit den bösen Buben im Viertel zu tun hatte, war es am besten, selbst böse und gefährlich zu wirken, aber wenn man vorhatte, somalischen Hausfrauen, die alle Cops für Ungeheuer hielten, Informationen zu entlocken, war nett und harmlos der bessere Ansatz.
    Und dafür war Brady Armand die Idealbesetzung: hübsch, jung und jederzeit zum Lächeln bereit. Das machte die Nachbarschaftsbefragung deutlich leichter, als wenn Bully allein unterwegs gewesen wäre. Sein dunkles, pockennarbiges Gesicht und seine gewaltige Größe jagten den meisten Leuten eine Heidenangst ein, wenn er plötzlich vor ihrer Tür stand.
    Dummerweise sprach in

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