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Todesnähe

Todesnähe

Titel: Todesnähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. J. Tracy
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tieftraurig auf, ehe er fortfuhr: «Der Caddie soll nächste Woche bei der Auktion für beschlagnahmte Güter unter den Hammer kommen.»
    Magozzi war so erleichtert, dass er lachen musste. «Dann kauf du ihn halt, Gino!»
    «Spinnst du? Noch zwei Jahre, dann muss ich Studiengebühren abdrücken …»
    «Red nicht, kauf ihn. Das Leben ist kurz. Und in unserer Branche manchmal noch sehr viel kürzer. Du arbeitest viel, du hast Geld auf der hohen Kante, du kriegst eine tolle Rente – wovor hast du Angst?»
    «Da fragst du noch? Ich habe Angst um meine Gesundheit. Wenn ich die Karre kaufe, serviert Angela demnächst zum Frühstück eine andere Sorte Eier.»
    «Ach was. Wie lange fährst du deinen klapprigen Volvo jetzt schon? Zehn Jahre?»
    «Länger.»
    «Das heißt, du brauchst sowieso ein neues Auto. Was, wenn der Caddie für zweitausend weggeht und du hast ihn verpasst?»
    «Dann muss ich mich erschießen.» Gino streifte den Cadillac mit wehmütigem, liebevollem Blick. «Manchmal macht man bei diesen Auktionen ja wirklich ein Schnäppchen.»
    «Eben. Besorg dir so ein Schildchen zum Mitbieten. Das kostet nichts.»
    Während Gino sich noch eine strahlende automobile Zukunft ohne den altersschwachen Volvo-Kombi ausmalte, ließ Magozzis Handy plötzlich ein ganz spezifisches Rülpsen hören, und der magische Moment war im Eimer.
    «O verdammt», stöhnte Gino. «Das ist dein Notruf, oder?»
    Magozzi nickte und klappte das Handy auf. «Magozzi. Sekunde, ich hol mir kurz was zum Schreiben.» Er ging in die Küche und kramte nach Papier und Kugelschreiber, fand aber nur einen halbleeren Filzstift und einen Supermarktprospekt, der zwei Schälchen Himbeeren zum Preis von einem anpries.
    Gino war ihm nachgekommen und sah zu, wie er eine Adresse und ein paar weitere Hieroglyphen aufschrieb und dann das Gespräch mit der Zentrale beendete. «Und, wohin geht’s?»
    «Ins Barrington-Industriegebiet, am Rand von Little Mogadishu.»
    «Na, prima. Schießerei?»
    «Klingt mir diesmal nicht nach Bandenkrieg. Das Opfer ist weiblich und wurde auf dem verlassenen Gelände vor dem alten Lagerhaus gefunden.»
    «Spritzenhausen.» Gino seufzte. «Wieder eine Drogentote.»
    «Wahrscheinlich.»

[zur Inhaltsübersicht]
KAPITEL 4
    W ährend der Fahrt nach Barrington schaute Gino angestrengt aus dem Beifahrerfenster. Das heruntergekommene Viertel, das sie durchqueren mussten, wurde allgemein nur «Little Mogadishu» genannt. Bis heute hatte Minnesota die größte Dichte von Flüchtlingen aus Somalia, und wie jede andere Einwandererkultur neigten auch diese in den ersten paar Generationen dazu, sich an einem Ort anzusiedeln und vom Rest der Bevölkerung abzusondern.
    Im Industriegebiet Barrington wimmelte es bereits von Spurensicherungsbeamten, als Magozzi am Gehsteig hielt. Gut dreißig Meter vor ihnen stand Jimmy Grimm auf dem unkrautüberwucherten Gelände, im weißen Wegwerfanzug mit passenden Füßlingen. Als er den Cadillac sah, hob er abwehrend die Hand. Offenbar war das Tatort-Team noch nicht damit fertig, einen Weg zur Leiche zu sichern.
    Gino und Magozzi stiegen aus dem Wagen, spazierten dicht an das gelbe Absperrband heran, das über den Bürgersteig gespannt war, und genossen die fabelhafte Aussicht auf all die benutzten Nadeln, Einwegspritzen und leeren Flaschen auf dem löchrigen Asphalt, der früher einmal einem florierenden Gewerbegebiet als Parkplatz gedient hatte. Verbogenes Metall und herausgebrochene Betonstücke, die vermutlich von dem leerstehenden, graffitiverschmierten Lagerhaus im Vordergrund stammten, vervollständigten das deprimierende Panorama: Überreste einer Zeit, als hier im Viertel noch das Leben pulsierte. Inzwischen war es ein Zentrum des Verbrechens, ein heruntergekommenes Großstadtgeschwür, das längst ausgemerzt gehört hätte. Die Logik von Stadtplanern, die so viel dafür taten, um Minneapolis das Image eines Horts von Gesundheit und Glückseligkeit zu erhalten, gleichzeitig aber solche Wunden schwären ließen, würde Magozzi nie verstehen.
    Ganz in der Nähe schwang sich eine Autobahnbrücke in den blauen Himmel, voll mit Wagen, deren Insassen keine Ahnung hatten, was da unter ihnen vor sich ging. Die Glücklichen, dachte Magozzi. Er spürte das leichte Vibrieren des Verkehrs unter den Sohlen und lauschte auf das ständige Hintergrundgemurmel einer Stadt, die voller Leben war, während er und Gino mit dem Tod konfrontiert wurden.
    «Mann, das ist ja eine richtige Müllhalde hier», brachte Gino

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